Haider-Kult und Ortsschilder-Streit in Kärnten

Der Tod des Landeshauptmanns hat Stimmung gegen slowenische Minderheit noch verschärft

  • Samuel Stuhlpfarrer, Klagenfurt/Celovec
  • Lesedauer: 3 Min.
Knapp einen Monat nach dem spektakulären Unfalltod Jörg Haiders herrscht in Kärnten, Österreichs südlichstem Bundesland, dem der Rechtspopulist bis zuletzt als Landeshauptmann (Ministerpräsident) vorgestanden hat, nach wie vor ein Zustand offiziell verordneter Trauer. Ein Klima, unter dem nicht nur die politische Opposition leidet. Auch die slowenische Minderheit in Kärnten, der seit Jahrzehnten fundamentale Rechte verweigert werden, fühlt sich noch mehr an den Rand gedrängt.
Ortsschild in Haiderland
Ortsschild in Haiderland

In gewisse Lokale traue er sich auch jetzt, vier Wochen nach Haiders Ableben, noch nicht zu gehen, gesteht Rudi Vouk. Zu Angst einflößend sei die Stimmung gegen Angehörige der slowenischen Minderheit in Kärnten derzeit. »Da heißt es dann: Ihr Slowenen, jetzt seid's froh, dass er nicht mehr ist.« Vouk muss es wissen. Der Rechtsanwalt und Kärntner Slowene ist in den letzten Jahren zum veritablen Feindbild Haiders und seines rechtspopulistischen Bündnisses »Zukunft Österreich« (BZÖ) avanciert. 1994 überschritt er im Ortsgebiet der Gemeinde St. Kanzian / Škocjan mutwillig die Geschwindigkeitsbegrenzung um 15 km/h, erstattete dann Selbstanzeige und erhob in weiterer Folge Beschwerde gegen den Strafbescheid. Der Grund: Da die slowenische Bezeichnung auf der Ortstafel fehle, sei der Beginn der Ortseinfahrt nicht ordnungsgemäß kundgemacht, die Geschwindigkeitsbegrenzung also ungültig. Vouks juristischer Winkelzug ging auf. Der zuletzt damit befasste österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGh) entschied schließlich 2001, dass in allen Kärntner Gemeinden mit einem slowenisch-sprachigen Bevölkerungsanteil von mindestens zehn Prozent zweisprachige Ortstafeln anzubringen seien.

Umgesetzt wurde das Urteil freilich bis heute nicht. Jörg Haider, damals in seiner zweiten Amtszeit als Landeshauptmann, ignorierte es schlichtweg. Die Bundesregierungen in Wien ignorierten ihrerseits Haiders Ignoranz gegenüber dem Rechtsstaat. Zu groß war offenbar die Angst vor jener antislowenischen Kärntner Gesinnung, die seit den 1970er Jahren die Minderheitenpolitik im südlichsten Bundesland wesentlich bestimmt. Und mit Haiders Tod ist es noch schwieriger geworden, für die Rechte der slowenischen Minderheit einzutreten – »als ob es pietätlos wäre, Minderheitenrechte einzufordern«, sagt Rudi Vouk.

Tatsächlich gewinnt man in Kärnten bisweilen den Eindruck, als komme jede Kritik an Haiders zweifelhaftem Vermächtnis einem Landesverrat gleich. Gerade erst sah sich das Kabarettistenduo Grissemann/Stermann zur Absage eines für Dezember geplanten Kärnten-Termins gezwungen. Vorausgegangen war eine satirische Auseinandersetzung mit der öffentlich bekundeten Trauer führender BZÖ-Funktionäre im staatlichen Fernsehsender ORF. Das Bündnis initiierte daraufhin eine Petition, um »klar zu machen, dass sich die Kärntnerinnen und Kärntner die bösartige Berichterstattung des ORF nicht mehr länger gefallen lassen«. Keine 24 Stunden später wurden die Radmuttern am PKW des lokalen Veranstalters des Kabarettabends gelockert.

Rudi Vouk sagt, er könne sich angesichts der momentanen Stimmungslage vorstellen, »wie es am Heldenplatz gewesen ist« und meint damit die Bilder von den Tausenden Österreichern, die einst den Einmarsch Adolf Hitlers bejubelten. Kärnten ist eben anders, wie ein geflügeltes Wort in Österreich besagt. Haiders Unfallstelle in Lambichl bei Klagenfurt säumt nach wie vor ein Meer aus Kerzen und persönlichen Botschaften an den verunglückten Rechtsaußen. »Du warst für uns Lady Diana«, steht auf einem der handgeschriebenen Zettel. Nicht wenige Kneipen in der Landeshauptstadt haben Ecken im Lokal zu Altar-ähnlichen Aufbauten umfunktioniert. Die Frage, welcher Art eine »Haider-Gedenkstätte« sein könnte, ist zentraler Bestandteil des politischen Diskurses, wie Peter Gstettner, Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Klagenfurt, erzählt. »Völlig unreflektiert, undistanziert bis pathologisch«, so charakterisiert er den Umgang der übergroßen Mehrheit der Kärntner mit dem Tod ihres Landeshauptmanns.

Gstettner gehört zu jenen, die gegen alle Widerstände versichern, dass »nicht ganz Kärnten trauert«. Auf die Frage, ob etwa eine Lösung der Ortstafelfrage in absehbarer Zeit möglich sei, antwortet er mit »Nein« – es sei denn, die Bundesregierung setzte das VfGh-Urteil »in seiner minderheitenfreundlichen Form um«. Das sieht auch Rudi Vouk so, der allerdings befürchtet, dass eine Lösung im Sinne der slowenischen Minderheit unmöglich sei, »solange das BZÖ in Kärnten noch irgendetwas mitzureden hat«. Eine Perspektive, die der slowenischen Minderheit viel Geduld abverlangen dürfte.

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