Bodenschutz-Training in Zeiten der Cholera

In Simbabwe ist die Vermittlung von Agrarwissen wichtiger denn je

  • Andrea Case und Munyaradzi Samusodza
  • Lesedauer: 6 Min.
»E-Africa« steht für Umwelt-Afrika. Der Name ist Programm für einen Zusammenschluss von Simbabwern, die sich dem Schutz der natürlichen Ressourcen und der besseren Ernährung im Lande verschrieben haben. Unterstützt wird E-Africa vom Weltfriedensdienst (WFD), einem der Partner der jährlichen ND-Spendenaktion. Im folgenden Beitrag berichten zwei Aktivisten des Projekts vom Alltag ihrer Arbeit.

In Simbabwe lässt es sich derzeit nicht einfach leben, geschweige denn arbeiten. Politische Konflikte und die wirtschaftliche Krise erschüttern das Land, dazu kommt jetzt auch noch eine Cholera-Epidemie. Fragt man einen unserer »Field Officers«, wie und was er als seinen Projektalltag empfindet, antwortet der: Alltag? Den gibt es schon längst nicht mehr – wenn es ihn je gab. Es gibt zwar Arbeiten, die wir immer wieder ausführen, doch muss man immer damit rechnen, dass sie ganz anders ablaufen, als wir das in unseren wöchentlichen Koordinationstreffen geplant haben. Die wirtschaftliche und politische Situation erfordert, dass wir für jeden Plan A noch mindestens Plan B bis D im Handgepäck haben müssen. Manchmal wird uns auch ein Großteil des Alphabets abverlangt. Wer nicht flexibel reagiert, der erreicht nichts.

Der Starkregen – ein gefährlicher Gegner

Wenn wir zum Beispiel dienstags ins Feld fahren, weil wir mit unseren Farmern einen Trainingsworkshop zum Thema »Anbau trockenresistenter Getreidearten« geplant haben, müssen wir vorher die notwendigen Materialien und Verpflegung einkaufen. Zum Glück haben wir dank unserer engagierten Administratorin mittlerweile einiges davon im Vorratsraum des Büros gelagert, doch auch Kleinigkeiten, die man noch braucht, verursachen aufgrund der absurden Geldpolitik im Land einen ungeheuren Aufwand. Für die umgerechnet 50 US-Cent, die wir täglich aus der Bank abholen können, bekommen wir gerade mal ein halbes Brot. Schecks werden gemeinhin nicht mehr von den Geschäften akzeptiert, weil sich der Realwert der Zahlung bis zur Einlösung auf einen Bruchteil verringert. Auch Überweisungen sind ein Zahlungsmittel der Vergangenheit.

Es bleibt also die Zahlung in Fremdwährung, mit der man sich nach wechselnder Laune des Finanzministers ständig am Rande der Legalität bewegt. Was heute völlig selbstverständlich ist, wird morgen gesetzlich verfolgt. Also ist große Vorsicht geboten, doch was wollen wir machen, die Arbeit muss weitergehen, und da ist so manches Mal Kreativität gefragt.

In diesem Jahr ist es wichtiger denn je, dass wir die Arbeit fortsetzen, denn das Überleben wird immer schwieriger: Es gibt kein Saatgut, keinen Dünger, kein Geld, keine Krankenversorgung, die Kinder gehen nicht mehr in die Schule und die letzte Ernte war aufgrund der wechselhaften Wetterlage auch nicht gut. Die Vorräte sind aufgebraucht.

Dementsprechend wichtig ist es, dass wir angepasstes Saatgut zur Verfügung stellen und nach der Verteilung auch die Aussaat durch fachliche Unterstützung begleiten und mit Rat und Tat bei der Sache sind. Ganz besonders beraten wir unsere Farmer in den Bereichen Bodenschutz und Wassererntetechniken, so dass mit den zur Verfügung stehenden – spärlichen – Mitteln größtmögliche Ernten eingebracht werden können.

Wenn es zum Beispiel Starkregen gibt, ist es besonders wichtig, dass wir mit unseren Farmern gemeinsam überprüfen, ob sich an kritischen Stellen in Feldern oder Gärten übermäßiger Bodenabtrag ergibt, da dies in der Vergangenheit großen Schaden angerichtet hat und die Fruchtbarkeit ganzer Felder gefährden kann. Die sogenannten »Gullies« (Erosionsrinnen) können sich in die Felder und Gärten hineinfressen und dort innerhalb kurzer Zeit regelrechte Gräben ziehen.

Zum einen wird damit wertvoller Oberboden weggeschwemmt, zum anderen erschwert die Zerfur-chung die zukünftige Bearbeitung der Flächen. Wenn Anbauflächen, vor allem diejenigen an Hanglagen, nicht fachgerecht (beispielsweise durch Vegetationsstreifen oder Erdwälle) gesichert sind, dann kann es passieren, dass die ganze Saat weggeschwemmt wird. Also gehen wir mit den Farmern im Regen aufs Feld und überprüfen den Wasserabfluss. Wenn wir Probleme sehen, besprechen wir gemeinsam, wie sie behoben oder abgemildert werden können und welche Arbeiten wie verrichtet werden müssen.

Nicht selten gehört dazu, dass wir an Ort und Stelle Badza (Hacke) und Schaufel zur Hand nehmen und demonstrieren, wie die Erosionsschutzmaßnahmen korrekt durchgeführt werden. Die Farmer, mit denen wir bereits länger zusammenarbeiten, haben den Wert dieser oft zusätzlich belastenden Arbeiten verstanden und verwenden große Sorgfalt auf den Schutz ihrer Felder und Gärten.

Ohne einen Plan B geht es nicht

Dies zeigt sich unter anderem, wenn wir Wettbewerbe zum Thema Bodenschutz durchführen. Die unter diesem Aspekt besten Farmer demonstrieren ihre Schutzmaßnahmen während eines sogenannten »Field Days« ihren Nachbarn, Freunden sowie Mitgliedern anderer Projektgruppen (Environmental Action Groups – kurz EAG). Natürlich gibt es für den Gewinner dann auch einen motivierenden Preis. Das ermutigt andere, es ebenfalls zu tun. »Field Days« veranstalten wir zu allen möglichen Themen, es kann also auch um die Herstellung von Trockenfrüchten, Säften oder Marmeladen gehen.

Bei solchen und ähnlichen Veranstaltungen legen wir großen Wert darauf, die lokal und traditionell wichtigen Persönlichkeiten und Entscheidungsträger einzubeziehen. Dies sichert zum einen die Fortführung unserer Arbeit auch in unruhigen oder schwierigen Zeiten. Zum anderen gewinnt man enorm an Gehör, wenn diese Entscheidungsträger die angebotenen Programme unterstützen, sie vielleicht in manchen Fällen gar selbstständig übernehmen und fortführen.

Zurück zur Alltagsfrage: Wir verbringen also viel Zeit mit Training. Theoretische Grundlagen, die wir während unserer Trainingsworkshops vermitteln, werden stets durch praktische Übungen veranschaulicht, dann aber auch – wie eben geschildert – durch Beratung während unserer sogenannten »monitoring visits« in der Praxis vertieft. Problematisch ist für uns, dass unsere Treffen häufig von den »food-hand-out-sessions« anderer Organisationen blockiert werden. Klar, wenn es etwas umsonst gibt, wer von uns würde nicht auch hingehen?

Leider werden diese »Nothilfemaßnahmen« aber häufig als politische Manipulationswerkzeuge oder Druckmittel missbraucht und vermehrt in Wahlkampfzeiten durchgeführt. Das kann dazu führen, dass man kaum Menschen in ihrer häuslichen oder Projektumgebung antrifft, dass Treffen nicht stattfinden können oder andere Maßnahmen gestört werden. In solchen Situationen ist immer wieder Plan B bis D gefragt. Wir stellen unser Tagesprogramm also um und sind dann eben noch bis abends spät unterwegs, um eine bestimmte Sache zu organisieren oder jemanden zu treffen. Oder wir stehen um so früher morgens auf, um die Leute anzutreffen, bevor sie sich dorthin aufmachen, wo gerade mal wieder Maismehl verteilt wird.

Wenn der Distriktchef zum Strategietreff lädt

Es kann auch sein, dass wir unerwartet von den Mitarbeitern anderer Organisationen zu einer Veranstaltung eingeladen werden, um dort unsere Erfahrungen mitzuteilen, oder von der Distriktverwaltung in Nyanga zu einem Strategietreffen gebeten werden. Diese zu verpassen wäre taktisch unklug.

Als Environment Africa haben wir es geschafft, auch in politisch schwierigen Zeiten von den Behörden unterstützt zu werden, ohne dass wir dafür politische Zugeständnisse machen oder unsere Ziele aufgeben mussten. Entsprechend muss für die Pflege dieser Beziehungen Zeit investiert werden, auch wenn es eigentlich gerade ganz ungelegen kommt.

Wenn er es überdenke, sagt einer unserer Field Officers, dann gefalle ihm am besten an seiner Arbeit, dass er täglich mit einer Vielzahl interessanter Leuten zusammen ist, alle mit ihrer eigenen Geschichte, »und dass der Alltag unalltäglich ist – fast immer«.

Simbabwische Farmerfamilien wurden von E-Africa mit lebensnotwendigen Bewässerungsschläuchen versorgt (oben). Unterweisung vor der Feldarbeit (unten). Fotos: Case
Simbabwische Farmerfamilien wurden von E-Africa mit lebensnotwendigen Bewässerungsschläuchen versorgt (oben). Unterweisung vor der Feldarbeit (unten). Fotos: Case
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