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Im Job-Center fehlt Personal

Erwerbslose können kaum individuell gefördert werden

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.
Bei der Betreuung von Erwerbslosen hinkt die Bundesregierung selbst gesteckten Zielen hinterher. Das Betreuungsverhältnis in den Jobcentern liegt um bis zu 275 Prozent über den Vorgaben. Dies ergab eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag.

»Fordern und fördern«, unter diesem Motto zwingt man Erwerbslose seit einigen Jahren zur Aufnahme auch schlecht bezahlter Jobs. Im Gegenzug verspricht man den Betroffenen eine bessere Betreuung vor Ort. Doch »fördern« können die zuständigen Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) nur, wenn die Sachbearbeiter genügend Zeit für ihre Klienten haben. Um dies sicherzustellen, wurden Betreuungsschlüssel festgelegt, die ein Mindestmaß an individuellem Service garantieren sollen.

Die LINKE-Arbeitsmarktexpertin Sabine Zimmermann wollte von der Bundesregierung in einer Anrage wissen, wie »hoch der Betreuungsschlüssel in der Arbeitsvermittlung« derzeit sei. Die ursprüngliche Zielvorgabe besagte, dass ein Betreuer nicht mehr als 75 unter 25-Jährige betreuen soll. Doch davon ist man weit entfernt. In der Antwort der Bundesregierung heißt es, das Verhältnis liege derzeit bei 1 zu 92. Auch bei den älteren, also über 25-jährigen Erwerbslosen verfehlt man die selbst gesteckten Ziele. Dort kommen auf einen ARGE-Mitarbeiter 165 Erwerbslose, eigentlich dürften es nur 135 sein.

Dabei stellt sich die Personalsituation im finanzschwachen Osten noch dramatischer dar. Dem ND liegt ein interner Bericht der ARGE Dresden vor, in dem die desolate Personalsituation ungeschönt beschrieben wird. Von den in Dresden ursprünglich vorgesehen 725 Planstellen, heißt es in dem Bericht, waren im August 2008 nur »644 körperlich besetzt«. Doch damit nicht genug: Zudem sei geplant, weitere 32 Stellen abzubauen. Und so kann es nicht verwundern, dass die Betreuungsschlüssel der ARGE Dresden ganz erheblich von den Zahlen der Bundesregierung abweichen. So kommen auf einen Berater 180 unter 25-Jährige, damit liegt man in der Elbemetropole um 240 Prozent über den Vorgaben. Noch drastischer ist das Missverhältnis bei den über 25-Jährigen, hier werden 410 Menschen von einem Sachbearbeiter betreut. Eine individuelle Förderung ist somit ausgeschlossen. Dies geht vor allem zu Lasten der Betroffenen. Eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) scheint das zu bestätigen. Nur ein Drittel der unter 30-jährigen Hartz IV-Betroffenen schaffe dauerhaft den Ausstieg aus der Hilfebedürftigkeit, heißt es dort.

Sabine Zimmermann verweist auf ein weiteres Problem: Bundesweit, so die Politikerin, gebe es 83 ARGEn, in denen jeder dritte Mitarbeiter befristet angestellt sei. Diese Befristung, räumt die Bundesregierung ein, habe »eine hohe Fluktuation des Personals verursacht«. Man sei gewillt, den Anteil der Befristungen »perspektivisch« auf zehn Prozent zu reduzieren. Außerdem beabsichtige die Regierung, im nächsten Jahr 1 900 weitere ARGE-Mitarbeiter einzustellen. Bis 2011, so hofft man in Berlin, soll der Betreuungsschlüssel erfüllt sein. Dann könnte das Kind bereits in den Brunnen gefallen sein, denn die Folgen der Rezession werden sich ab 2009 bemerkbar machen – mit einem drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit.

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