Unter Dach und Fach

Modernes Kunstmuseum: Die neue Moritzburg in Halle

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 4 Min.

In der Saalestadt gibt es etwas zu feiern. Da wird nämlich ein Bauwerk für die Kunst neu eröffnet, das jetzt, ohne Übertreibung, selbst als ein architektonisches Kunstwerk durchgeht. Es ist die 500 Jahre alte Moritzburg in Halle. Von hier aus hatte einst Luthers Gegenspieler Kardinal Albrecht freien Bürgerwillen unter seine Fuchtel zwingen wollen. Im dreißigjährigen Krieg dann wurde sie zur Ruine zerschossen. Erst seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts beherbergten die nutzbaren Teile eine Kunstsammlung. Hier waren aber zu DDR-Zeiten auch ein Fernsehstudio und das Hallesche Kabarett »Die Kiebitzensteiner« untergebracht.

Die Moritzburg blieb aber immer als Ruine erkennbar, weil dem gewaltigen Westflügel zur Saale hin nur die Seitenwände geblieben waren. Auf den ersten Blick hat vor allem dieser Flügel jetzt ein helles Aluminiumdach bekommen, das gleich noch über den Nordflügel verlängert wurde. Auch der neue Eingangsanbau im Innenhof nimmt diese Lösung auf. Zusammen mit der Stahlkonstruktion lasten jetzt immerhin 300 Tonnen auf den Außenwänden! An der der Stadt zugewandten Seite findet sich außerdem ein funktionaler Vorbau, mit einem grandiosen Panoramafenster. Natürlich hat man sich die Chance nicht entgehen lassen, genau da jene berühmten (noch in Halle vorhandenen) Feininger-Gemälde zu platzieren, denen dieser Blick auf den Dom und die fünf Markttürme einst das Motiv bot. Statt Canaletto an der Elbe also Feininger an der Saale. Besonders dieser architektonische Ausstellungscoup dürfte nicht nur die Hallenser begeistern!

Was die Architekten Fuensanta Nieto und Enrique Sobejano hier fertigbekommen haben, ist von außen betrachtet ein sichtbares Zusammentreffen von Vergangenheit und Zukunft. Ihr Entwurf ist eine gelungene Symbiose und verdeckt nirgends die historische Bausubstanz. Sie darf weiter ihren anheimelnden Burghof- und Ruinencharme verbreiten, und doch mit den als solchen erkennbaren, aber nicht aufdringlichen Ergänzungen von den Zeitläuften berichten.

Betritt man die ausgedehnten Innenräume, dann wiederholt sich dieser Eindruck. Denn hier sind zwar einige der Fenster mit ihren romantischen Blicken auf die Altstadt verdeckt, aber auch hier kommen Vergangenheit und Gegenwart ins Gespräch. Etwa durch den Kontrast zwischen dem unverputzten alten Mauerwerk und den zwei in den Raum gehängten weißen Kuben für eigene Ausstellungsschwerpunkte. Durch die neu einbezogenen Nord- und Westflügel gewinnt das Museum über 1500 Quadratmeter für die Dauerausstellung, 500 Quadratmeter für die Sammlung Gerlinger und 600 Quadratmeter für Sonderausstellungen hinzu. Natürlich entspricht das Drumherum den Standards eines modernen Museums. Die Hauptrolle spielen natürlich die Kunstwerke, mit denen man zwei (durch das Kriegsende 1945 voneinander unterschiedene) Etappen der Moderne mit exemplarischen Beispielen der Sammlung belegt. Auch hier kann sich die Real- und die Kunstgeschichte auf besondere Weise spiegeln.

In seinen Anfangsjahren widmete sich das Museum eifrig und mit Erfolg der damaligen Moderne, bis die Nazis mit ihrer Aktion »Entartete Kunst« 1936 dieser Sammlung zwar ihr absurd barbarisches »Gütesiegel« aufdrückten, ihr durch das Verscherbeln wichtiger Werke aber zugleich irreparablen Schaden zufügten. So wird die jetzt im neu erstandenen Westflügel großzügig auf (fast schon zu) farbigen Stellwänden präsentierte Auswahl der »Brücke«-Sammlung Gerlinger zu einer historischen Antwort auf die Barbarei der Nazis. Fast schon bescheiden (jetzt vor grauem Hintergrund) wird dieser Expressionismus-Schwerpunkt der Ausstellung durch die Prunkstücke aus den alten Beständen ergänzt. Eine Ebene darüber, in dem durch die Seitengalerien zugänglichen größeren Kubus, geht es dann bis in die Gegenwart. Dass Willy Sitte nur mit einem seiner frühen Werke, dafür aber auch der erst jüngst durch die grandiose Sonderausstellung in Halle als Maler entdeckte Einar Schleef vertreten sind, deuten auf das Potenzial für einen spannenden Umgang mit den eigenen Schätzen, der in Halle seine Zukunft noch vor sich hat.

Doch jetzt gibt es erst einmal einen guten Grund zum Feiern: mit einem großen Bahnhof für die Kunst. Inklusive Festakt mit dem Bundespräsidenten. Wenn man an die Streitereien, Planungsverzögerungen, Kostenexplosionen und Ähnliches denkt, das landauf, landab vor allem öffentlich finanzierte Kulturbauten begleitet und immer wieder ausbremst, dann grenzt es fast schon an ein Wunder, dass in Halle ein 18-Millionenprojekt skandalfrei und alles in allem punktgenau in nur fünf Jahren zwischen Ausschreibung und Fertigstellung über die Bühne gegangen ist.

Ab 13. 12.: Di 11-20.30, Mi-So u. an Feiertagen 10-18 (24. u. 31. 12. geschl., 25.12.08 u. 1.1.09 13-18 Uhr.) Mo geschl.; Eintritt: 5 EUR, erm. 3 EUR.

www.kunstmuseum-moritzburg.de

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