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Letzte Sendung Silvester?

Nikolaus Huss über das Aus für radiomultikulti in Berlin / Nikolaus Huss vom Freundeskreis radiomultikulti kämpfte für den Erhalt des Berliner Integrationssenders

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Letzte Sendung Silvester?

ND: Müssen wir uns jetzt endgültig von radiomultikulti verabschieden?
Huss: Zwar stirbt die Hoffnung zuletzt, aber nun gibt es wirklich keine realistische Möglichkeit mehr, die Schließung des Senders noch zu verhindern. Die allerletzte Chance, über die Haushaltsverhandlungen noch einmal politischen Druck zu machen, wurde bei der Sitzung des Rundfunkrates am 4. Dezember vertan. Deshalb wird am 31. Dezember vor 22 Uhr die letzte Sendung über den Äther gehen.

...obwohl alle Parteien des Berliner Abgeordnetenhauses die Bedeutung des Senders betonen?
Ja, und obwohl das Berliner Parlament am 13. November nochmals mit großer Mehrheit eine Resolution verabschiedet hat, in der ein Moratorium für radiomultikulti gefordert wurde. Aber das lässt den RBB kalt. Der Sender, vor einem Jahr noch für radiomultikulti gelobt, steuert nun ins Integrations-Niemandsland.

Wie sähe der Rettungsplan Ihres Freundeskreises für den Sender aus? Schließlich fehlen dem RBB nach eigenen Angaben von 2009 bis 2012 rund 54 Millionen Euro.
Wir sind keine Finanzexperten und es ist auch nicht unsere Aufgabe, alternative Finanzpläne aufzustellen. Aber die 12 Millionen Euro, die durch die Einstellung von radiomultikulti eingespart werden, sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die dicken Batzen stecken im Fernsehbereich. Außerdem hätte die Überwindung der internen Sender-Strukturen einige Möglichkeiten für radiomultikulti eröffnen können.

RBB-Intendantin Dagmar Reim und Ilona Marenbach von radiomultikulti sagen, dass alle fest Angestellten weiter beschäftigt werden sollen. Auch sollen 40 der 70 Freien Mitarbeiter weiter eingesetzt werden.
Die Festen müssen ja ohnehin weiter eingesetzt werden. Aber es ist unrealistisch zu glauben, die Freien Mitarbeiter würden wirklich weiter beschäftigt, denn wo wäre dann noch der angestrebte Einspareffekt? Zudem würden dadurch doch andere RBB-Mitarbeiter verdrängt.

Die Radiowelle Funkhaus Europa des WDR übernimmt zum 1. Januar die radiomultikulti-Frequenz 96,3 MHz. Der RBB soll hier die fremdsprachigen Programme produzieren – ein adäquater Ersatz?
Nein. Der Großteil von radiomultikulti war das deutschsprachige Programm. Der Sender ist eine Bühne der transkulturellen Musikszene Berlins, da kann Funkhaus Europa keinen Beitrag leisten. Und ob das viel beschworene »Berliner Fenster« innerhalb von Funkhaus Europa jemals Wirklichkeit wird, steht in den Sternen.

Wer hat bei diesem Desaster versagt?
Da sollten sich alle Beteiligten an die Nase fassen: Der RBB, der sich in Person von Frau Reim jeder konstruktiven Diskussion verweigert hat. Die Politik, die noch stärker hätte intervenieren können. Und der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk im allgemeinen – die ARD-Anstalten hätten dem finanziell hochbelasteten RBB helfen können.

Haben Sie dennoch Weihnachtswünsche für Frau Reim?
Ich wünsche Frau Reim persönlich ein friedliches Familienfest. Und dass sie die Kraft findet, öffentliche Diskussionen nicht als Übel, sondern als Chance zu betrachten. Ich will aber auch sagen: Den Sender auf finanziell solide Füße zu stellen, ist und war ein Riesenjob. Aber sparen ist beim Rundfunk eben nicht alles.

Interview: Tobias Riegel

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