Öffentliches Schwimmen: Wasser wird knapp

Tiefe Enttäuschung bei der Personalversammlung der acht von Schließung bedrohten Bäder

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Anfang stand noch ein Händeschütteln zwischen Personalrat und der Chef- etage. Dann war es vorbei mit der Freundlichkeit auf der Personalversammlung der Berliner Bäder Betriebe (BBB) gestern im SEZ. Nachdem am Montag für das Traditionsbad im Osten das Ende eingeläutet wurde, stand am Dienstag für die Mitarbeiter von acht weiteren Berliner Schwimmhallen die Schließung ihrer Einrichtung bis zum Sommer auf der Tagesordnung. Für viele Betroffene ist es klar: Was hier passiert, ist der Beginn der Zerschlagung der Berliner Bäder Betriebe. Jetzt trifft es in zwei Etappen bis zum 1. Juli die Stadtbäder Steglitz, Wedding, Zehlendorf und Kreuzberg, das Hallenbad Adlershof sowie die Schwimmhallen Rudolf-Seiffert-Straße, Cité Foch und Sportforum Hohenschönhausen. Die Hohenschönhausener Halle, die dem Leistungssport vorbehalten ist, wird wahrscheinlich mit Bundesunterstützung weiter geführt, doch nur drei der 15 Mitarbeiter könnten dann mit einer Übernahme rechnen. Wer dann aber dort für die Halle zuständig sein wird, blieb den Mitarbeitern bisher verborgen. Niemand glaubt, dass damit das Ende der Schließungswelle erreicht ist. Gerüchte sprechen von zwei weiteren Hallen. Denn keines der Berliner öffentlichen Bäder erwirtschaftet Gewinne, Berlin muss in jedem Falle zuschießen. Und wenn nur noch gekürzt wird, dann müssen weitere Schwimmeinrichtungen auf der Strecke bleiben. Die Kollegen, die gestern mit dem BBB-Vorstand über das Ende ihrer Bäder debattierten, sind zum Teil seit Jahrzehnten mit dem Schwimmsport verbunden. Die Hallen waren Teil ihres Lebens. Zwar haben sie die Zusicherung, bis 2004 vor betriebsbedingten Kündigungen sicher zu sein. Doch das bringt wenig Trost. Es ist kein Personalkonzept zu erkennen, deshalb herrscht tiefe Unsicherheit vor bei den Kollegen. Statt neuer Ideen, die neue Badegäste anlocken, sehen die Mitarbeiter schlechtere Ausstattung und höhere Preise. Das muss auf Dauer zum Verfall der Berliner Bäderlandschaft führen. Der SPD und insbesondere ihrem Sportsenator Klaus Böger traut man nicht mehr über den Weg. Seine Versprechungen sind noch allen im Ohr. Enttäuschung wurde auch über die PDS laut, die in der Opposition die Bäderpolitik des Senats attackierte und nun selbst als Totengräber der Schwimmhallen mitwirkt. Mit der PDS verbanden sich Hoffnungen. Personalratsvorsitzender Günter Fasel stellte Vorstandschef Klaus Lipinsky viele Fragen. Sie wurden nur teilweise und unkonkret beantwortet. Den Bäder Betrieben steht das Wasser buchstäblich bis zum Halse. Beispielsweise ist unklar, wie das mit privaten Pächtern für die Freibäder funktionieren soll. Es gab bereits einen Versuch in der Saison 2001 mit dem Freibad Humboldthain. Wie er ausgegangen ist, welche Verluste eingefahren wurden, blieb bisher unter Verschluss. Doch die Mitarbeiter wollen genau wissen, auf welches Abenteuer sie sich einlassen, wenn sie bereit sind, dort zu arbeiten. Wer über eine Bankbürgschaft von 25000 Euro, eine Unbedenklichkeitserklärung des Finanzamtes und der Krankenkasse verfügt, kann für die Saison 2002 eines von zwölf Freibädern pachten. Müggelsee, Grünau, Orankesee, Weißensee - alles im Angebot. Noch bis zum 20. März kann sich jeder bewerben im großen Freibäderzirkus. Die BBB halten nach Schließung der genannten Einrichtungen 14 Sommerbäder, 13 Freibäder, 31 Hallenbäder, vier Kombibäder sowie die Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark an der Landsberger Allee offen. Sie ist die modernste Berliner Halle, die ebenfalls zu den Bäderbetrieben gehört. Sie wird extra genannt, da sie über eine selbstständige Wirtschaftführung verfügt. Für die Mitarbeiter verlief die Beratung außerordentlich unbefriedigend. Sie fühlen sich vom Vorstand verarscht. Sie wissen weder wo und wie sie in der Sommersaison eingesetzt werden, von der nächsten Hallensaison gar nicht zu reden. Schlechte Vorbereitung der Führungskräfte auf die gestrige Sitzung, lautete ein Vorwurf der Belegschaft. Das selbe Spiel wie am Vortag mit dem SEZ. Deshalb stellte Personalratsvorsitzender Günter Fasel auch konkrete Forderungen: Ein Stellenplan für die kommende Woche und dann ein Dienstplan, damit die Mitarbeiter endlich wissen, was mit ihnen geschieht.
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