Gut gelenkt, schneller gesund

Integrierte Versorgung sucht neue Behandlungspfade

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenn verschiedene Bereiche des Gesundheitswesens enger zusammenarbeiten, nützt das dem Patienten. Diese Idee steht hinter dem Konzept der Integrierten Versorgung. Seit Anfang 2009 bekommen Ärzte und Krankenkassen dafür jedoch weniger Geld.

Ein Bandscheibenvorfall? Lange Wartezeiten für den nächsten Arzttermin oder eine Reha, monatelange Krankschreibung? Das muss nicht sein. Die BKK Verkehrsbau Union (VBU) hat für degenerative Wirbelsäulenerkrankungen einen Vertrag der Integrierten Versorgung aufgelegt. Daran beteiligten sich zwischen 2004 und Ende 2008 schon über 1000 Versicherte. Diese Patienten konnten nach der neurochirurgisch-radiologischen Diagnostik im Medizinischen Versorgungszentrum Berlin-Hellersdorf mit Unterstützung ihres Facharztes schnell die notwendige Therapie finden, sei es eine ambulante oder stationäre Operation oder auch eine nichtoperative Behandlung. Im folgenden halben Jahr werden die Muskeln trainiert und Haltungsfehler beseitigt.

Vorzeigeprojekte wie das der BKK VBU können viele Kassen in der Integrierten Versorgung vorweisen. Seit 2004 soll mit entsprechenden Verträgen die sektorenübergreifende Zusammenarbeit im Gesundheitswesen gefördert werden – zugunsten einer zügigen und besseren Patientenbetreuung, aber auch zugunsten von Kostensenkungen bei den Kassen. Die Verträge konnten ohne die Kassenärztliche Vereinigung oder die Kassenverbände abgeschlossen werden. Interessant waren sie bis Ende 2008 durch eine zusätzliche Honorierung: Den beteiligten niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern wurde jeweils bis zu ein Prozent der von den Kassen zu entrichtenden Gesamtvergütung zugesichert, pro Jahr maximal 700 Millionen Euro.

Weil diese Unterstützung mit Beginn des Jahres 2009 wegfällt, bereinigten viele Kassen ihre Vertragsbestände. Häufig beibehalten werden Verträge für Diabetiker, Herz- und Kreislauferkrankte sowie für Hüft- und Kniegelenksoperationen. Letztere machten bisher ein Viertel aller Versorgungsverträge aus. Allerdings arbeiteten auf diesem Gebiet Orthopäden und bestimmte Krankenhausabteilungen schon immer zusammen, es kann also von einem Mitnahmeeffekt gesprochen werden.

Neben den auf einzelne Krankheiten bezogenen Verträgen waren und sind auch solche möglich, die sich auf ganze Bevölkerungsgruppen beziehen – etwa auf Kinder bestimmten Alters. So soll das Brandenburger Projekt »AOK Junior« die Gesundheitsvorsorge bei den Jüngsten verbessern. Die Kassen wollen einige Modelle weiterentwickeln. Dafür müssen sie die Versicherten aber davon überzeugen, dass vernetzte Behandlungspfade nicht nur dem eigenen Ertrag zugute kommen, sondern die Behandlung verbessern.

Die Verträge werden von der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) registriert. Im ersten Quartal 2007 bestanden knapp 3500 Verträge mit 4,1 Millionen Versicherten, diese waren etwa zur Hälfte in Hausarztverträge eingebunden. Was jedoch fehlt, ist die Transparenz bei den Verträgen und deren lückenlose Dokumentation – eine fundierte Zwischenbilanz ist so kaum möglich.

Im ersten Halbjahr 2009 finden einige Fachkonferenzen zum Thema statt. Der ab Anfang 2009 gültige Risikoausgleich, der auf 60 häufige Krankheiten orientiert, könnte zudem zugunsten der Integrierten Versorgung wirken: Die Kassen bekommen für diese Patienten mehr Geld als bisher. Wenn sie deren Versorgung effektiver organisieren, bliebe auch mehr Gewinn. Offen bleibt aber, ob der Wettbewerb der Kassen eher zu Qualität oder doch eher zu einer Billigmedizin führt.

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