Warum nicht zur Armee?

Omer Goldman über Kriegsdienstverweigerer in Israel / Die 19-Jährige verweigert wegen der Besatzungspolitik den Kriegsdienst in Israel

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Warum nicht zur Armee?

ND: Sie sind Mitglied der so genannten Shministim, einer Bewegung junger Leute, die den Kriegsdienst in Israel verweigern. Warum wollen Sie nicht zur Armee?
Goldmann: Wir verweigern den Dienst an der Waffe, weil wir glauben, dass die israelischen Streitkräfte ein Instrument der Besatzungs- und Unterdrückungspolitik sind. Ich will nicht zu einer Armee gehören, die jeden Tag Kriegsverbrechen begeht. Auch die gegenwärtigen Angriffe im Gaza-Streifen richten sich gegen die Zivilbevölkerung. Ich möchte keine Mitschuld an dieser illegalen Militäroperation tragen. Sicherheit gibt es nur durch Frieden.

Ein Mitglied der Antikriegsbewegung Ometz Lesarev (Den Mut zu verweigern) wurde am gestrigen Dienstag zu zwei Wochen Arrest verurteilt. Es war das erste Urteil gegen einen Kriegsdienstverweigerer ...
... wobei Ometz Lesarev Soldaten organisiert. Unsere Bewegung, die Shministim, besteht aus Schulabgängern, die sich erst gar nicht an der Waffe ausbilden lassen wollen.

Beide Gruppen werden von der Regierung kriminalisiert. Geht der israelische Staat nun härter gegen die Gegner der Militärpolitik vor?
Natürlich. Die Regierung versucht jeden zum Schweigen zu bringen, der sich gegen den laufenden Krieg ausspricht. Seit Beginn der Angriffe wurden rund 300 Kriegsgegner festgenommen. Der Kampf der Regierung gegen die Kriegsgegner wird in einem starken Maß auch über die Medien geführt. Wenn man hier das Fernsehen einschaltet, bekommt man den Eindruck, dass alle den Krieg befürworten. Kritiker kommen kaum zu Wort. Wenn Sie den Fernseher dann ausschalten und auf die Straße gehen, können Sie, wie am Montag, zehntausend Menschen sehen, die gegen diesen Krieg demonstrieren. Deswegen auch die zunehmenden Festnahmen.

Sie waren wegen Ihres politischen Engagements auch inhaftiert.
Ja, ich saß bislang insgesamt zwei Monate in Haft.

Wie kann eine Antikriegsbewegung unter solchen widrigen Bedingungen überhaupt effektiv arbeiten?
Die organisierten Kriegsdienstverweigerer haben noch keinen sehr großen Einfluss. In den vergangenen Monaten haben sich neun Schulabgänger geweigert, in die Armee zu gehen. Aber der Einfluss dieser noch jungen Bewegung wächst ständig, besonders in diesen Kriegstagen. Auch wenn Verweigerer manchmal wie Schwerverbrecher behandelt werden. Ein anderes Problem ist das gesellschaftliche: In Israel muss man um Akzeptanz kämpfen, wenn man den friedlichen Weg bevorzugt und nicht in die Armee gehen will. Wenn jemand an diesen Gewalttaten teilnimmt, wird er sehr viel schneller akzeptiert.

Die Tageszeitung »Haaretz« schrieb am vergangenen Mittwoch, die Regierung müsse den Krieg »schnell beenden«, bevor der Konsens zerbricht. Ändert sich die öffentliche Meinung?
Vielen Menschen in Israel ist klar, dass dieser Krieg sinnlos ist. Viele wissen, dass ein Motiv die unmittelbar bevorstehenden Wahlen in Israel sind. Aber niemand traut sich, das offen auszusprechen. Vor allem in den großen Medien, dem Fernsehen, sind diese politischen Hintergründe tabu. Aber die Leute merken, dass die Regierung sich nicht um ihre Meinung schert. Hier finden zum Teil dreimal täglich Proteste mit tausenden Teilnehmern statt. Die Regierung reagiert darauf noch nicht einmal. Sie macht, was sie will.

Fragen: Harald Neuber

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