Bewegung in der Defensive

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Proteste gegen das Weltwirtschaftsforum in der Schweiz haben landesweit an Bedeutung verloren.

Die in dem Schweizer Bergort Davos versammelten Eliten aus Wirtschaft und Politik dürften sich auf dem Weltwirtschaftsforum (WEF) über die weltweite ökonomische Krise Sorgen machen. Doch ein Problem haben sie in diesem Jahr nicht. Die WEF-Gegner spielen nur eine geringe Rolle. Am heutigen Freitag veranstaltet das globalisierungskritische Bündnis »Das andere Davos« im Züricher Kongresshaus unter der Fragestellung »Reparatur oder Systemwechsel in Zeiten der Krise?« den neunten Gegenkongress zum WEF, an dem auch Gewerkschafter aus Kolumbien teilnehmen werden. Auf dem Kongress, zu dem mehrere hundert Menschen erwartet werden, will eine Arbeitsgruppe Transparente für die für Samstag in Genf geplante Anti-WEF-Demonstration herstellen. Doch ob sie ausgerollt werden können, ist noch offen. Die Genfer Kantonsregierung hat die Demonstration mit der Begründung verboten, dass die Organisatoren zu wenige Garantien dafür abgegeben hätten, dass es nicht zu Krawallen kommt. Die Unterstützer der Demonstration, zu denen neben autonomen Gruppen auch Attac-Schweiz und die Genfer Sektion der Partei der Arbeit (PdA) gehören, sei eine »Gruppe von Leuten, die vorsätzlich nach Genf reisen wollen, um zu randalieren«, so die Kantonsregierung.

Die WEF-Kritiker sammeln zurzeit Unterschriften für eine Petition, in der sie gegen die Beschneidung des Rechts auf freie Meinungsäußerung protestieren. Bisher seien knapp 1200 Unterschriften zusammen. Vor zehn Jahren wäre das Echo auf ein Demoverbot wesentlich größer gewesen.

Internationale Mobilisierung

Nachdem 1998 ein linkes Demobündnis erstmals für Unruhe im beschaulichen Davos gesorgt hatte, ließ die damals erstarkende globalisierungskritische Bewegung die Zahl der Demonstranten wachsen. Zunehmend beteiligten sich auch Globalisierungskritiker aus Deutschland, Frankreich und Italien an den Protesten. Die von Beamten und Wasserwerfern aus Deutschland unterstützte Polizei versuchte, die Proteste zu verhindern. Selbst in konservativen Zeitungen wurde anschließend die Frage gestellt, ob es zu rechtfertigen sei, wegen eines privaten Treffens Grundrechte außer Kraft zu setzen.

Höhepunkt war der Kessel von Landquart am 22. Januar 2004. Auf halber Strecke nach Davos wurden Tausende von Gipfelkritikern sechs Stunden lang in eisiger Kälte festgehalten und mit Tränengas und Wasserwerfern beschossen. Die Angst vor Repression und der Abschwung der globalisierungskritischen Bewegung reduzierte in den nächsten Jahren die Zahl der WEF-Kritiker. Die Proteste konzentrieren sich nun auf die Städte, werden aber immer häufiger eingeschränkt oder wie aktuell in Genf ganz verboten.

Im Vorfeld des diesjährigen WEF sorgte die Inhaftierung von zwei Jugendlichen für Diskussionen. Die 15- und 16-jährigen Schüler waren am 17. Januar in Zürich festgenommen worden. Ihnen wird vorgeworfen, mit anderen unbekannten Personen Farbeimer auf ein Firmengebäude in der Züricher Innenstadt geworfen zu haben. Wegen Verdunkelungsgefahr erließ ein Richter Untersuchungshaft gegen die Minderjährigen. Besuche von Freunden sind ihnen weiterhin untersagt. Ein Aufruf zur ihrer Freilassung ist mittlerweile von knapp 50 Organisationen, darunter den Berner Jungsozialisten und der Roten Hilfe aus Deutschland unterzeichnet worden.

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