Staatsnahe Nähebeziehungen

Was die Regierung sich (noch) nicht traut, begrüßt sie bei der Bahn AG

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Bahnchef Mehdorn hat sich gestern wegen der DB-Datenaffäre bei den Beschäftigten entschuldigt. Der Vorstand bedauere, dass es bei den Mitarbeiterüberprüfungen zu Verstößen gekommen sei und keine Gremien der Arbeitnehmervertretungen informiert gewesen seien. Alles in Ordnung?
Der Endpunkt von Korruption oder das Ende des innerbetrieblichen Rechtsstaates?
Der Endpunkt von Korruption oder das Ende des innerbetrieblichen Rechtsstaates?

Nichts ist in Ordnung. Bislang hat der Konzern nur zugegeben, was nicht mehr zu leugnen war. Zur Korruptionsbekämpfung habe man in den Jahren 2003 und 2005 die Daten von rund 173 000 Mitarbeitern mit denen von Lieferfirmen abgeglichen. In der kommenden Woche nun soll die Öffentlichkeit mehr erfahren. »Was wir wissen, kommt auf den Tisch und wird selbstverständlich Parlament, Regierung und Aufsichtsrat vorgelegt,« versprach Mehdorn und dämpfte damit unterschwellig radikale Aufklärungshoffnungen.

Dass sie steigen, wenn der DB-Antikorruptionsbeauftragte, Wolfgang Schaupensteiner, der Mehdorn direkt unterstellt ist, am Mittwoch abermals vor dem Verkehrsausschuss des Bundestages erscheint, darf bezweifelt werden. Doch vielleicht gibt es ja den einen oder anderen Gewählten, der – nachdem Schaupensteiner die Nähebeziehungen der DB-Angestellten ausgeforscht hat – nach seinen »Nähebeziehungen« zu bestimmten Regierungsstellen fragt. Selbst wenn man aus Oppositionssicht Tiefensee für ein kleines Übel hält, muss man Mehdorn und Nachgeordnete nicht zart behandeln, wenn es um eindeutige innen- und rechtspolitische Skandale geht.

Gern wurde der ehemalige »Korruptions-Staatsanwalt« Schaupensteiner herumgereicht als eine Art Guru der »sauberen Wirtschaft«. Beispiel: Die jüngste Herbsttagung des Bundeskriminalamtes (BKA) beschäftigte sich mit Wirtschaftskriminalität. August Hanning, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, vertrat seinen Chef Schäuble. In der Eröffnungsrede legte er Wert darauf, dass die Unternehmen selbst »Präventivmaßnahmen« ergreifen, die bislang »bundesweit zu kurz« kommen würden. »Compliance-Programme, die Unternehmen vor Wirtschaftskriminalität schützen, sind ... ein wichtiger Ansatz. Dazu werden wir morgen mehr von Herrn Schaupensteiner hören.«

Schaupensteiners Vorträge (auch) vor dem BKA, wo einige seiner Mitarbeiter abgeworben wurden, sind seit Jahren ein »Muss«. Seltsam, dass er noch nie im Detail gefragt worden ist, was er unter »Prävention« versteht. Zumal der Chief Compliance Officer Schaupensteiner im letzten Anti-Korruptionsbericht der Bahn, er betrifft die Jahre 2006 und 2007, eine seltsame Rechtsauffassung beförderte. »Bisher wurde auf Verdacht hin gehandelt. Wenn wir jedoch rein repressiv arbeiten, dann werden wir das Problem nicht verhindern, sondern nur aufarbeiten.« Was ja schon eine Menge bewirken könnte, schaut man sich die Siemens-Affäre an. Doch Schaupenstein ist »der Meinung, der Schwerpunkt erfolgreicher Compliance-Arbeit muss die Prävention sein«.

Prävention – wie soll die aussehen? Soll man es bewenden lassen bei Aufklärungsseminaren? Soll man nur an die Moral der Mitarbeiter appellieren? Das tat das Unternehmen »DDR« auch, als es klar machte, dass Republikflucht oder Kritik an der Führung dem Bild einer sozialistischen Persönlichkeit widersprechen. Und trotzdem wurde die Bevölkerung sicherheitsmäßig unter Generalverdacht gestellt. So wie Mitarbeiter der DB.

Keine Frage: Korruption ist kriminell. Doch: Wie soll man bekämpfen, was doch im Heimlichen geschieht? Zumal in einem für solche Art Kriminalität so anfälligen Unternehmen, wie es die Bahn ist. Es gibt eine Reihe klarer Indizien, die zu einem Anfangsverdacht führen können: unerklärlich hoher Lebensstandard, soziale Probleme, aufkommende Verschlossenheit, unerklärlicher Widerstand gegen Aufgaben- und Arbeitsplatzveränderung,... kumpelhafter Ton mit Auftragnehmern. Das alles würde einen Anfangsverdacht begründen und umfangreiche Ermittlungen in Gang setzen. Doch all das ist mühsam, wie man von Wirtschaftskriminalitätsfahndern der Landeskriminalämter erfahren kann. Die Bahn fühlte sich weniger als die Polizisten an gesetzliche Vorgaben gebunden und beauftragte externe Firmen mit jenen Ermittlungen, die aus der juristischen Grauzone heraus ins Tiefschwarze reichen. Zugleich krochen Chef-DB-ler, die einen weißen Kragen doch schmutzige Hände hatten, bereits 2001 unter das ethisch angeblich so dichte Dach von Transpareny International. Korruption scheint für manche grenzenlos interessant zu sein.

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