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Vorgriff auf den Valentinstag

Bundestag debattierte in einer Aktuellen Stunde die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Bundestag hat gestern auf Antrag der Grünen über die Führungsverantwortung von Kanzlerin Angela Merkel in der Wirtschaftskrise – unter besonderer Berücksichtigung der Turbulenzen um den Rücktritt des CSU-Wirtschaftsministers Michael Glos und die Inthronisation seines Nachfolgers zu Guttenberg – debattiert. Die Sessel von Kanzlerin und den Ministern waren allerdings leer geblieben.

Gestern Morgen hatte die Kanzlerin einen schönen Termin. Sie erhielt in der Skylobby des Kanzleramtes anlässlich des Valentinstages am Sonnabend schon vorfristig einen Blumengruß vom Zentralverband des Deutschen Gartenbaus. Das hat sie offenbar so fröhlich gestimmt, dass Angela Merkel sich den Tag nicht noch versauen lassen wollte. Deshalb hat die Kanzlerin sich mit ihrer ganzen Ministerriege die Aktuelle Stunde im Bundestag einfach gekniffen.

Und so blieben ihr die geballte Kritik der Opposition wie die hilflosen Verteidigungsreden aus Union und SPD erspart. Dass beim Thema Richtlinienkompetenz nichts Vorteilhaftes 'rauskommen kann, weiß Angela Merkel spätestens seit den unseligen Zeiten, als der damalige CSU-Chef Edmund Stoiber ihr zu Beginn der Wahlperiode ans Leder wollte. Ironie der Geschichte, dass ihr wiederum sein Nach-Nachfolger Horst Seehofer aktuell das Leben schwermacht.

Renate Künast von den Grünen jedenfalls sieht in der Politik der Kanzlerin vor allem »Orientierungslosigkeit«. Sie habe in den Jahren ihre Richtlinienkompetenz »wegmoderiert« und mehrfach den Kurs zwischen Marktradikalität und Sozialdemokratisierung gewechselt. Angela Merkel richte ihre Politik derzeit an Bayern aus, Glos sei von Seehofer gemobbt und von der Kanzlerin ignoriert worden, die Entscheidung für Karl-Theodor zu Guttenberg als Nachfolger ein wirtschaftspolitischer Offenbarungseid der Union, erklärte die Fraktionschefin der Grünen.

Genüsslich hob auch Patrick Döring von der FDP hervor, dass sich in der Großen Koalition wie auch innerhalb der Union »Szenen einer Ehe« abspielten. Seine Partei mache eine nur schwer handlungsfähige Bundesregierung aus, die drei daran beteiligten Parteien entfernten sich immer weiter voneinander – was die Freien Demokraten in ihrem ungeduldigen Harren auf den September nur bestärke. Dann werde Guttenberg einer der »dienstkürzesten Minister« sein.

Axel Troost indes, der für die LINKE in die Bütt stieg, hatte wenig Lust, die leidigen Personalien hoch und runter zu buchstabieren. Die Opposition dürfe nicht den gleichen Fehler wie die Koalition machen und sich in Personaldiskussionen erschöpfen, sagte Troost. Die LINKE habe wenig von der Glosschen Wirtschaftspolitik gehalten und sieht keinen Anlass, auf Guttenberg zu hoffen. Denn all das dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Neoliberalismus »die gesellschaftspolitische Fassade für interessengeleitete Politik« war und sei. Reiche und Superreiche hätten erst von der Rückführung des Staates profitiert und würden es heute von Bankenrettungsplänen und Konjunkturprogrammen tun.

Es versteht sich von selbst, dass Lorenz Meyer von der CDU die Oppositionsvorwürfe – ob personeller oder grundsätzlicher Art – nicht nachvollziehen kann. Die Bundesrepublik sei das einzige Land in Europa, das ein komplettes Programm zur Bewältigung der Krise vorgelegt habe. Das habe schließlich mit dem Regierunghandeln zu tun. Meyer freilich wurde im Selbstbewusstsein noch getoppt durch Ute Berg von der SPD, die – nachdem sie die guten Taten der sozialdemokratischen Minister aufgesagt hatte – »mit Abscheu und Empörung« zurückwies, dass die Führungsverantwortung der Kanzlerin nicht gewährleistet sei. Irgendwie waren das auch Beiträge zum Valentinstag – bei so viel Zuneigung dürfte dem Patron aller Liebenden garantiert auch nichts mehr einfallen. Kommentar Seite 8

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