Sozialisten wollen »Wandel« im Baskenland

Fliegt der Wahlsieger aus der Regierung?

  • Lesedauer: 4 Min.
Von Ralf Streck, San Sebastian

Seit 30 Jahren regieren im spanischen Baskenland die »gemäßigten« Nationalisten der Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV). Aus den Regionalwahlen am Sonntag gingen sie erneut als stärkste Kraft hervor, und doch könnten sie aus der Regierung verdrängt werden.

»Ich führe mich dazu legitimiert, den Wandel anzuführen«, sagte der Spitzenkandidat der spanischen Sozialisten im Baskenland (PSOE) am späten Sonntag. Auf den ersten Blick sieht es auch so aus, als hätte Patxi López mit knapp 31 Prozent der Stimmen und 24 Abgeordneten im 75-köpfigen Regionalparlament ein gutes Wahlergebnis erzielt. Doch gewonnen hat erneut die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV). Der bisherige PNV-Regierungschef Juan José Ibarretxe hat fast 39 Prozent der Stimmen und 30 Abgeordnete des Parlaments in Gasteiz (Vitoria) auf seiner Seite. Die PNV liegt zudem in den beiden bevölkerungsreichsten Provinzen des Baskenlandes, Biskaya und Gipuzkoa, klar vorn. Nur im dünn besiedelten Alava übertraf die PSOE die Nationalisten knapp.

Weil aber in jeder Provinz, unabhängig von der Bevölkerungszahl, 25 Parlamentarier gewählt werden, sieht López eine Chance, die PNV erstmals nach 30 Jahren aus dem Regierungssitz »Ajuria Enea« zu verdrängen: »Ich halte an meinem Wort und meinem Ziel fest, die nötige Unterstützung für ein Projekt des Wandels anzuführen.«

Unterstützung erwartet López von der konservativen spanischen Volkspartei (PP), die bei leichten Verlusten auf 14 Prozent der Stimmen und 13 Sitze kam. Das reicht jedoch nicht für die Mehrheit. Die kann López nur erreichen, wenn er auch den Vertreter der Union für die Demokratie (UPD), einer Abspaltung der Sozialisten, hinter sich bringt. Der baskische PSOE-Chef muss also in der »Autonomen Baskischen Gemeinschaft« (CAV) eine Front von Parteien schmieden, die sich zu gleicher Zeit in Madrid heftig beharken.

Derweil sieht sich Ibarretxe durch sein gutes Ergebnis berechtigt, das Baskenland weiter zu regieren. Er will sofort Gespräche über die Regierungsbildung aufnehmen. »Es kommt uns zu, die Verhandlungen mit den übrigen Parteien zu beginnen«, sagte er. Sein Problem ist, dass die bisherigen Koalitionspartner der PNV eingebrochen sind. Die Vereinte Linke (IU) hat weiter verloren und stellt mit 3,5 Prozent nur noch einen statt drei Abgeordneten. Die sozialdemokratische Baskische Solidaritätspartei (EA) erhielt knapp 4 Prozent und lediglich zwei statt der bisherigen sieben Sitze. Sie musste einen Teil ihrer Stimmen an die PNV abtreten, ein anderer Teil ging an die linksnationalistische Partei Aralar, die mit gut 6 Prozent und vier Sitzen einen Erfolg erzielte.

Zusammengenommen käme das baskische Lager aber nur auf 37 statt der erforderlichen 38 Sitze. Deshalb will Ibarretxe zunächst mit der PSOE sprechen, denn eine große Koalition ist nicht gänzlich undenkbar. Im spanischen Zentralparlament hatte die PNV der PSOE erst im Dezember eine knappe Mehrheit für die Verabschiedung des Haushalts verschafft.

Erstmals seit dem Ende der Franco-Diktatur werden keine Vertreter der radikalen linken Unabhängigkeitsbewegung mehr im Parlament vertreten sein, denn deren sämtliche Parteien waren von den Wahlen ausgeschlossen worden. Gut 100 000 Menschen haben die verbotenen Parteien trotzdem gewählt. Das hätte, wenn die Stimmen nicht als ungültig gewertet würden, für sieben Sitze ausgereicht. Viele Wähler blieben auch zu Hause, weshalb die Wahlbeteiligung um 15 Prozentpunkte niedriger lag als 2005. Damals hatten die inzwischen ebenfalls verbotenen baskischen Kommunisten (EHAK) mit 12,5 Prozent neun Sitze errungen.

Der baskische IU-Chef Javier Madrazo beklagte ein schweres »Demokratiedefizit« und warf der PSOE Schiebung vor. »Das neue Parlament bildet nicht die baskische Gesellschaft ab. Das Bild ist durch das Verbot einer politischen Kraft verzerrt. Klares Ziel dieser Illegalisierung war es, die sozialistische Partei zu begünstigen«. Madrazo hat Recht, denn am Wählerverhalten hat sich nichts geändert. Die bisherige Regierungskoalition hat auch ohne die Stimmen für die Ausgeschlossenen deutlich mehr Zuspruch erhalten als der spanisch-nationalistische Block, aus dem López die Regierung bilden will. Im Vergleich zu den spanischen Parlamentswahlen im März 2008 hat die PSOE im Baskenland sogar mehr als 100 000 Stimmen verloren.

Woran sich zeigt, dass die PSOE angesichts des wirtschaftlichen Niedergangs in Spanien einen schweren Stand hat. Deutlich wurde dies bei den Regionalwahlen in Galicien, die ebenfalls am Sonntag stattfanden. Dort hatte seit 2005 – erstmals seit dem Ende der Diktatur – eine Koalition aus PSOE und dem Nationalistischen Block Galiciens (BNG) regiert. Doch die Regierung erfüllte selbst bescheidene Erwartungen nicht. Folgerichtig eroberte die rechte Volkspartei die absolute Mehrheit wieder zurück. Das ist mehr als ein Denkzettel für die spanische Zentralregierung in Madrid.

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