Das Phantom

Dieter Althaus / Der Ministerpräsident von Thüringen wirkt derzeit unsichtbar

  • Anke Engelmann
  • Lesedauer: 2 Min.

Ein Name war auf dem Parteitag der Thüringer CDU am Sonnabend öfter zu hören als jedes andere Wort: der des abwesenden Ministerpräsidenten Dieter Althaus. Dafür sorgten zahlreiche Journalisten, die die Delegierten in die Zange nahmen, in der Hoffnung, irgendjemandem wenigstens ein Zipfelchen Zweifel an dessen psychischer und physischer Belastbarkeit zu entlocken. Vergebens. Die Delegierten standen einmütig hinter ihrem Spitzenmann. Doch ob die CDU mit ihrer Geschlossenheit dem Ministerpräsidenten wirklich einen Gefallen tut?

Niemand kann es einem in seiner Lage abnehmen, quälende Gefühle wie Schuld oder Scham zu bewältigen – keine Ehefrau, keine Parteifreunde. Anteilnahme oder Mitgefühl nützen vor allem jenen, die sie geben. Die Auseinandersetzung kann nur Dieter Althaus selber führen, und so etwas braucht Zeit. Der Ministerpräsident hat sich dieser Möglichkeit beraubt mit seiner Entscheidung, in die Politik zurückzukehren.

Ausschlaggebend dafür war wohl Althaus' Pflichtbewusstsein, gepaart vielleicht auch mit der trügerischen Überzeugung, unersetzbar zu sein. In gewisser Weise ist er das tatsächlich, denn neben sich hat er niemanden geduldet. Und die CDU lässt ihm keine Hintertür, die es ihm erlauben würde, sich zurückzuziehen und dabei das Gesicht zu wahren. »Ich will meinem Land dienen«, sagt der Christ Althaus. Selbstverleugnung, die schon bei anderen in Flucht und Arbeitssucht gemündet ist; dieses Phänomen ist weit verbreitet in der deutschen Politik. Und die Medien tragen das Ihre dazu bei, indem sie ihn zum Hauptdarsteller einer Seifenoper machen, in der Leid und Trauer zum Schluss auf jeden Fall besiegt werden müssen.

Auf diese Weise ist Althaus der große Abwesende geworden. Eine tragische Figur. Seine Gegner könnten seine Nominierung gar mit Erleichterung zur Kenntnis genommen haben, und auch, dass auf Listenplatz zwei als potenzielle Nachrückerin die Finanzpolitikerin Birgit Diezel steht und nicht Christine Lieberknecht, die der Partei eine soziale Prägung geben könnte. Vielleicht hat Althaus gar das Ende der CDU-Ära in Thüringen eingeläutet. Denn ob der Mitleidsbonus für einen Wahlsieg reicht, ist fraglich.

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