»Wir spielen nicht mehr nach euren Regeln!«

Die Interventionistische Linke will den Bruch mit dem System / Henning Obens ist Aktivist bei der Interventionistischen Linken und dem Avanti-Projekt undogmatische Linke

  • Lesedauer: 3 Min.
Krise und Protest: »Wir spielen nicht mehr nach euren Regeln!«

ND: »Wir zahlen nicht für eure Krise!« Das klingt trotzig, aber nicht nach Systemalternative. Fehlt es an konkreten Utopien?
Obens: Fraglos war die Linke in den letzten 20 Jahren in einer permanenten strategischen Defensive: Abwehrkämpfe gegen Sozialabbau, gegen Nazis, gegen Kriegsbeteiligungen der Bundeswehr etc.. In dieser Phase hat sich der von Margaret Thatcher geprägte neoliberale Slogan von der Alternativlosigkeit TINA (There is no alternative) auch in den Köpfen vieler Linker festgesetzt. Die Suche nach konkreten Utopien wurde dadurch massiv erschwert. Die Krise bringt jetzt wieder Bewegung. Wir mobilisieren für einen antikapitalistischen Block unter dem Motto »Die Krise heißt Kapitalismus! Eine Welt zu gewinnen, jenseits von Krise, Krieg und Kapitalismus!« Das ist ein offensiver Ansatz. Generell gilt: Konkrete Utopien können sich nur in gesellschaftlichen Aufbruchphasen entfalten. Dafür gilt es die Krise zu nutzen.

Die Interventionistische Linke fordert in ihrem Aufruf soziale Sicherheit für alle und weltweit plus ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1500 Euro. Das klingt nach Schlaraffenland. Mit welchem Gesellschaftssystem soll das erreicht werden?
Wir haben kein fertiges System in der Schublade. Systemalternativen können nur in gesellschaftlichen Umbrüchen weiterentwickelt werden, durchaus entlang desPrinzips »Versuch und Irrtum«. Die Forderung nach einem »Schlaraffenland« mit einem konkreten Finanzierungskonzept zu unterlegen, ist die neoliberale Methode, gesellschaftliche Utopien klein zu machen und aus der Diskussion zu halten. Dem sind auch viele Linke auf den Leim gegangen. Dabei sollten doch die Bedürfnisse der Menschen zum Ausgangspunkt der Überlegungen gemacht werden und sich dann die Frage gestellt werden, wie der Kuchen dementsprechend verteilt werden kann. Es gibt genug Ressourcen, um ein schönes Leben für alle zu ermöglichen. Wer hätte sich vor wenigen Monaten vorstellen können, dass über Nacht die Politik der Haushaltskonsolidierung für Bankenrettungspakete in einer 500-Milliarden Euro-Dimension außer Kraft gesetzt werden würde? Angesichts solcher Kapazitäten zeigt sich, dass das »Schlaraffenland« eine Frage von Kräfteverhältnissen ist.

Politisch sicher, aber was ist mit den Grenzen des Wachstums?
Die Forderung »Alles für alle und zwar umsonst« markiert in erster Linie einen politischen Standpunkt getreu dem Motto von Karl Liebknecht: »Das Unmögliche zu wollen, ist die Voraussetzung dafür, das Mögliche zu schaffen.« Genau darum geht es. Die Forderung markiert die Richtung, in die wir gehen wollen. Angesichts dessen, dass die Welt auf eine soziale und ökologische Katastrophe zusteuert, wissen wir als Internationalistinnen und Internationalisten, dass dies nicht auf der Ausbeutung anderer basieren darf.

Die Krise gibt denen Recht, die seit Jahren vor den Gefahren schrankenloser Liberalisierung und Privatisierung warnen. In die Offensive ist die Linke bisher dennoch nicht gekommen. Warum?
Das liegt daran, dass die Linke sehr lange an einem gegenhegemonialen Block geschmiedet hat, der Globalisierungskritiker wie Attac, die Gewerkschaften und die radikale Linke zusammenbringt, um gegen die neoliberalen Exzesse anzugehen. Angesichts der Blamage des Neoliberalismus ist die Linke von der Realität sicher ein wenig überrollt und überholt worden.

In jeder Krise liegt eine Chance.

Worin besteht sie für die Linke?
Zentral geht es darum, auf einen Systembruch hinzuarbeiten. Wir spielen nicht mehr nach euren Regeln, sollte das Prinzip bei den Kämpfen lauten. Auch in Betriebskämpfen und gegen den künftigen Sozialabbau sollte auf Aktionsformen der Bürgerrechtsbewegung und der sozialen Bewegungen zurückgegriffen werden, statt der Mär der sozialpartnerschaftlichen Aushandlung zu folgen. Die Chance in der Krise besteht darin, dem Kapitalismus jegliche Legitimität abzusprechen. Wir wollen die Wirtschaftskrise zu einer politischen und einer Systemkrise ausweiten. Wir scheuen den Konflikt nicht.

Fragen: Martin Ling

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