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Hartz IV: Arbeitsloser wohnt bei Mama im Häuschen

Arbeitslosengeld & Erbe

  • Lesedauer: 2 Min.

Arbeitslosengeld II (= Hartz-IV-Leistungen) oder Grundsicherung erhält nur, wer nicht über Vermögen verfügt. Eigenes Vermögen ist vorrangig für den Lebensunterhalt einzusetzen. Dazu zählt in der Regel auch ein Anspruch auf den Pflichtteil vom Vermögen der Eltern. Doch es gibt Ausnahmen von der Regel, wie der konkrete Fall zeigt.

Ein junger Mann wurde arbeitslos. Um Miete zu sparen, zog er in das Haus seiner Mutter. Die Witwe lebte von der Rente ihres verstorbenen Mannes. Alles, was die Eheleute früher von seinem Gehalt abzweigen konnten, steckte in dem kleinen Einfamilienhaus. Als der Sohn kein Arbeitslosengeld mehr erhielt, beantragte er Hartz-IV-Leistungen.

Die zuständige Behörde lehnte seinen Antrag ab. Begründung: Der Arbeitslose müsse zunächst von der Mutter seinen Anteil am Vermögen des Vaters verlangen, zumindest seinen Pflichtteil. Bevor der nicht für den Lebensunterhalt verbraucht sei, erhalte er keine Sozialleistungen.

Gegen diesen Bescheid klagte der Sohn: Die Mutter habe kein Geld, um den Pflichtteil auszuzahlen. Deswegen das Haus zu verkaufen, könne er ihr nicht zumuten.

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen gab ihm Recht. Um den überlebenden Partner vor einem Verkauf des Hauses zu bewahren, hätten die Eheleute eigens ein »Berliner Testament« verfasst. Das bedeutet: Wenn eines der Kinder nach dem Tod eines Elternteils vom anderen Elternteil den Pflichtteil forderte, sollte es nach dem Tod des Überlebenden auch nur den Pflichtteil erhalten.

Der junge Mann finde bei seiner Ausbildung voraussichtlich in absehbarer Zeit wieder eine Beschäftigung, so das Gericht. Von ihm zu verlangen, jetzt seinen Pflichtteil einzufordern und zu verwerten, bedeute eine unzumutbare Härte. Das könne er nicht durchführen, ohne elementare familiäre Pflichten zu verletzen. Er müsste seine Mutter zwingen, das Haus zu verkaufen, das die wirtschaftliche Lebensleistung der Eltern widerspiegele und ihr Alter absichern sollte.

Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. November 2008 - L 20 AS 92/07

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