Ségolène Royal als »Schattenpräsidentin«

Frankreichs Sozialisten weiter zerstritten

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Ségolène Royal, die bei den letzten Präsidentschaftswahlen unterlegene sozialistische Kandidatin, nutzt jede Gelegenheit, sich in Erinnerung zu bringen. Am vergangenen Wochenende hat sie sich in einem vorab per Pressemitteilung bekannt gemachten Brief an den spanischen Premier José Luis Zapatero »im Namen Frankreichs und der Franzosen« für eine neuerliche Taktlosigkeit von Präsident Nicolas Sarkozy entschuldigt.

Sarkozy hatte in der vergangenen Woche bei einem Essen mit Parlamentariern aller Parteien unter anderem erklärt: »Zapatero ist nicht besonders intelligent, aber immerhin hat er zwei Mal die Wahlen gewonnen.« Die Äußerung wird zwar vom Elysée dementiert, aber durch verschiedene Anwesende bestätigt, die über noch mehr sarkastische »Bonmots« des selbstherrlichen Staatschefs, etwa auf Kosten von Barack Obama und Angela Merkel, zu berichten wissen. Ségolène Royal hat schon einmal »im Namen Frankreichs und der Franzosen« um »Pardon« gebeten – vor zwei Wochen in der senegalesischen Hauptstadt Dakar für eine Ende 2007 dort von Sarkozy gehaltene Rede, in der er äußerst arrogant die »mangelnde Reife der Afrikaner« für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit beklagt hatte. Dass die Politiker der rechten Regierungspartei UMP jetzt unisono über Ségolène Royal herfallen, sie lächerlich zu machen versuchen und ihre Erklärungen angesichts des internationalen Medienechos als »Beschädigung des Ansehens Frankreichs im Ausland« verurteilen, kann nicht verwundern.

Zwiespältiger sind dagegen die Reaktionen aus dem eigenen Lager. Immerhin ist die glücklose Präsidentschaftskandidatin von 2007, die jetzt all ihr Streben auf die nächste Wahl 2012 ausrichtet, mit der Führung der eigenen Partei zerstritten. Doch nach den Äußerungen von Ségolène Royal in Dakar konnten die Sozialisten nicht anders, als sich hinter sie zu stellen. Selbst die Parteivorsitzende Martine Aubry, die sich beim letzten Parteitag knapp gegen Royal durchgesetzt hatte und diese seit Monaten meidet, trat ihr öffentlich zur Seite. Doch jetzt, nach dem Brief an Zapatero, bleibt Aubry stumm und zahlreiche PS-Politiker gehen vorsichtig auf Distanz zu ihr. Royal neige dazu, »den Bogen zu überspannen« und führe sich auf wie eine »Illuminierte«, urteilt einer im vertraulichen Gespräch.

Auch wenn sie längst nicht mehr wie im Präsidentschaftswahlkampf von Massen getragen wird, für die sie die Hoffnung auf einen grundlegenden Wandel verkörpert, und in Umfragen deutlich hinter den jungen linksradikalen Hoffnungsträger Olivier Besancenot zurückgefallen ist, so ist Royal doch eine latente Gefahr für die PS-Führung. Da die weiter zerstrittenen und so weitgehend handlungsunfähigen Sozialisten keine echte Alternative zum dynamischen Präsidenten Sarkozy und die undemokratische, antisoziale Kahlschlagpolitik der rechten Regierung darstellen, hat Ségolène Royal die vakante Rolle des Oppositionsführers an sich gerissen.

»In Großbritannien stellt die Opposition traditionell ein ›Schattenkabinett‹ auf, das die Politik der Regierung mit entsprechenden Gegenvorschlägen begleitet«, sagte dieser Tage sehr treffend ein Rundfunkkommentator. »Ségolène Royal hat das Amt des ›Schattenpräsidenten‹ erfunden.« Staatschef Nicolas Sarkozy spielt ihr dabei in die Hände, denn seine oft arroganten, impulsiven und maßlosen Äußerungen sind regelrechte »Steilvorlagen« für Attacken, mit denen sich Royal profilieren kann. An diese Rolle, so hofft sie offenbar, werden sich die Menschen bei den Präsidentschaftswahlen 2012 erinnern und ihr als Nachfolgerin Sarkozys den Weg in den Elysée-Palast öffnen.

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