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Streit um Guantanamo-Häftlinge

Mehrere Länder-Innenminister sperren sich gegen Aufnahme unschuldig Inhaftierter

  • Lesedauer: 3 Min.
In Deutschland ist über Parteigrenzen hinweg Streit über die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen ausgebrochen. Mehrere Länder-Innenminister meldeten Bedenken an, Menschenrechtler warben für eine Aufnahme.

Berlin (Agenturen/ND). »Ich habe einige Schwierigkeiten damit zu sagen, dass wir als Bundesrepublik oder Europäische Union bereit sein sollen, Leute aufzunehmen, die Washington nicht haben will«, sagte Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann (SPD) der »Frankfurter Rundschau«. Damit stellte er sich gegen SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, der angeboten hatte, Guantanamo-Häftlinge in Deutschland aufzunehmen. Auch Hövelmanns CDU-Amtskollegen in Niedersachsen und Hessen äußerten Sicherheitsbedenken gegen eine Einreise ehemaliger Insassen des US-Gefangenenlagers auf Kuba. Mit Blick auf die Auflösung des Lagers hatten die USA eine konkrete Anfrage zur Aufnahme von früheren Häftlingen in Deutschland gestellt.

»Sicherheit muss hier eindeutig vor Diplomatie gehen«, sagte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) der »Welt«. Es sei noch nicht hinreichend begründet worden, warum gerade diese Guantanamo-Häftlinge – voraussichtlich islamische Uiguren aus China – nicht in ihr Heimatland zurückkehren oder in den USA aufgenommen werden könnten. Erst nach einer Klärung dieser Frage sollte die Bundesregierung jeden Einzelfall prüfen. Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) äußerte ebenfalls Sicherheitsbedenken. »Wenn die Inhaftierten ungefährlich sind, sehe ich kein Problem darin, dass sie von den USA aufgenommen werden«, sagte er. »Sind sie gefährlich, stellen sich ganz andere Fragen.«

Der Sprecher für Menschenrechte der FDP-Bundestagsfraktion, Florian Toncar, forderte, die Koalition müsse ihren internen Krach um die Aufnahme »von erwiesenermaßen unschuldigen Guantanamo-Häftlingen sofort beenden«. Europa müsse den USA Hilfe bei der dringend notwendigen Schließung des Lagers zusagen. CSU-Landesgruppenchef Peter Ram-sauer sagte dagegen in Berlin, es gebe für Deutschland weder eine »juristische noch eine politische Pflicht« für die Aufnahme von Ex-Häftlingen. »Wir sind nicht bereit zu helfen und nicht bereit zu unterstützen«, sagte er. In München hatte der Stadtrat im Februar mit den Stimmen der CSU die Bereitschaft erklärt, Uiguren aus Guantanamo in der bayerischen Landeshauptstadt aufzunehmen. Jetzt äußerte jedoch auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erhebliche Bedenken.

Der Weltkongress der Uiguren begrüßte eine Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen. Falls die Bundesregierung tatsächlich Uiguren aufnehme, könnte die uigurische Gemeinde in München Unterstützung anbieten, sagte Vizechef Asgar Can der Nachrichtenagentur AFP. Rund 500 Uiguren leben derzeit laut Can in München; es handelt sich dabei um die größte uigurische Gemeinschaft in Europa. Fast alle sind aus China geflohen.

Auch die Gesellschaft für bedrohte Völker sprach sich dafür aus, einigen der 17 in Guantanamo festgehaltenen Uiguren Zuflucht zu gewähren. Die Gesellschaft warnte davor, die Frage zum Wahlkampfthema zu machen. »Die Uiguren sind die ersten Opfer des weltweiten Kampfes gegen den Terror.« Sie seien sieben Jahre lang auf Kuba festgehalten worden, obwohl die US-Militärbehörden von ihrer Unschuld überzeugt waren.

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