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Jahrmarkt aus 1001 Nacht

Studienreise durch Syrien – Damaskus, Aleppo und Palmyra

  • Alexander Richter
  • Lesedauer: 6 Min.
Nur ein Fünftel von Palmyra ist bislang aus dem Wüstensand freigelegt.
Nur ein Fünftel von Palmyra ist bislang aus dem Wüstensand freigelegt.

Wie eine Schnur zieht sich das Asphaltband in die Länge. Keine Kurve, kein Knick – kein Ende in Sicht. Links Sand, rechts Sand, dazwischen Geröll und windgetriebener Plastikmüll. Die syrische Wüste. LKW-Konvois donnern über die Piste: Leer brettern sie westwärts, voll beladen rollen sie nach Osten. Die Nachkriegsgeschäfte mit dem Nachbarn lohnen sich, so sieht es aus. »Bagdad 700 Kilometer« steht auf einem Schild am Straßenrand. Wir sind unterwegs nach Palmyra, der wohl bedeutendsten Ruinenstätte im Nahen Osten, 150 Kilometer vor der irakischen Grenze.

Vorsichtige Annäherung

Syrien heute: Kann man in einem Land sicher reisen, das nach US-Lesart der Bush'schen Polit-Clique ein Schurkenstaat sein soll? Die Touristengruppe aus Deutschland und Österreich auf ihrer Studienreise durch Syrien und Jordanien jedenfalls will es wissen. Bei Irbid an der Grenze zur Syrischen Arabischen Republik (seit 1946) mit ihren im Zickzack betonierten Autoschleusen ist deshalb die Spannung spürbar. Was wird passieren? Nach 40 Minuten: Routine ist passiert, sonst nichts. Der Reisepass hat einen Stempel mehr, und der Lohnbuchhalter aus dem Schwäbischen meint: »Da ischt ja jede Einreise in die USA komplizierter.«

Dennoch: War gestern in Amman und Petra, der jordanischen Felsenstadt, das Treiben auf Plätzen und Straßen noch heiter und bunt, erscheint es jetzt ernst und grau. In Bosra zum Beispiel, dessen riesiges und gut erhaltenes römisches Theater zu einem von fünf UNESCO-Weltkulturerbe-Stätten im Land zählt. Grau der Stein, trist die Umgebung, eine Provinzstadt. Das 5-Sterne-Hotel erweist sich als lausiger Schuppen, in dem das Essen Imbissqualität hat.

In Bosra wie auch auf der Fahrt nach Damaskus bestimmen an Hausfassaden die diktatorischen Staatslenker aus der Familie al-Assad das Plakatgeschehen. Vater Hafiz und Sohn Baschar sind im Land allgegenwärtig.

Damaskus, die Hauptstadt, präsentiert sich lebendig. Breite Straßen, ein Gehupe und Gedränge, buntes Treiben in den Basargassen. In einem Geldladen für Sammler sind Dinar-Scheine aus dem Irak mit dem Konterfei Saddams der aktuelle Hit. Draußen gehen neugierige Blicke hin und her – von den Westlern zu den Syrern und umgekehrt. Ein Lächeln, eine stumme Frage: Dürfen wir ein Foto machen von euch? Wohlgemerkt: Die Touristen sind die Attraktion, werden abgelichtet. Westliche Sprachen sind in diesen Breiten des Nahen Ostens noch wenig verbreitet. Erst die jungen Leute lernen Englisch, teilweise sogar schon auf privaten Universitäten.

Enge Gassen, schmale Durchgänge, ab und an lugt ein Minarett über den Dächern hervor und manchmal plätschert in einem Innenhof ganz romantisch ein Brunnen. Ein Wirrwarr aus kleinen Straßen, in denen es Spaß macht, sich zu verlaufen. Besonders am Abend, wenn die kleinen Stände, die Süßigkeiten und allerlei leckere Bissen verkaufen, von Kindern und Familien umringt sind, geht's hier zu wie auf einen Jahrmarkt, so wie die Westler ihn sich vorstellen: Schöne Grüße an 1001 Nacht.

Viele modebewusste junge Damen haben mit dem Kopftuch nichts im Sinn oder setzen es ganz modisch ein – hier ragt eine Strähne heraus, da ein kleiner Pferdeschwanz. Ein Muss in der Hauptstadt ist das Nationalmuseum. Meint zumindest Reiseleiter Hassan, der gerne und patriotisch eindeutig politisiert. Immerhin: Die Kunstwerke sind kostbar und spiegeln 6000 Jahre Geschichte wider.

Die Syrer sind stolz auf Damaskus, sagen, es sei die am längsten besiedelte Stadt der Welt. Ob's stimmt oder nicht: In Syrien stand zwar nicht die Wiege der Menschheit, aber das Land gehört ohne Zweifel zu ihren wichtigsten Kinderzimmern. Das wird im Museum deutlich, das beweisen die vielen antiken Stätten im Land, und das zeigt die riesige Omayyaden-Moschee, die zu den historisch bedeutendsten Bauwerken der islamischen Welt zählt.

Gäste herzlich willkommen

Westliche Frauen müssen sich beim Besuch verkleiden – grün-blasse Umhänge und Kopftücher gibt's kostenlos an der Eingangspforte. Apropos: Nirgendwo im Nahen Osten leben Christen und Muslime, Sunniten und Schiiten so friedlich zusammen wie in Syrien. Auch westliche Touristen sind überall im Land willkommen und reisen sicher.

Das spürt der Gast zum Beispiel im Bergdorf Maalula oder auch unterhalb der gigantischen Kreuzritterburg Krak des Chevaliers: »Wir beherrschen die Toleranz«, sagt Direktor Hannan, der in Krak seit 16 Jahren das moderne Hotel Al-Wani führt. Das Haus wird im kommenden Winter erweitert, »denn die Umsätze stimmen«, erzählt der Hotelier, steckt sich seine Wasserpfeife an und lächelt: »Wir hoffen auf noch mehr deutsche Gäste, wenn erst unsere deutsch-syrische Universität fertig ist.« Immerhin: Der Rohbau für die Hochschule steht bereits.

Das in Syrien längst nicht alles Gold ist, was glänzt, zeigt das Beispiel der wuchtigen Ritterburg am späteren Abend. Die Anlage, die zu den meist besuchten Sehenswürdigkeiten des Landes zählt, versinkt in der Nacht. Die Burg wird nicht angestrahlt, weil es Krach um die Übernahme der Kosten zwischen der Stadt und dem Energielieferanten gibt.

Treiben und treiben lassen

Aleppo, Syriens Handelsmetropole im Norden und unweit der türkischen Grenze gelegen, ist aufgeräumt und mit rund vier Millionen Menschen um einiges größer als die Hauptstadt. Die Damaskus-Rivalin ist eine Stadt der Gegensätze: Das vorherrschende Material der meisten Bauten ist grauer Kalksandstein, der entsprechend düster rüberkommt. Wie atmosphärisch ist dagegen das bunte Treiben im großen Suk hinter dem Antiochia-Tor: Da duftet es in der Gemüsestraße, wird gehämmert in der Handwerkergasse, wird gefeilscht in der Hausratsstraße, fließt Blut in der Metzgergasse – treiben und treiben lassen ist angesagt. Wer will, kann in der Bar des in die Jahre gekommenen Baron-Hotels an der gleichnamigen Straße eine alte Rechnung übernehmen. Ein gewisser Lawrence von Arabien hat hier einst für umgerechnet ein paar Euro gespeist und getrunken – und dann das Weite gesucht. Der Originalbeleg hängt heute im Rahmen an der Wand und erinnert an den Zechpreller.

Am Ende der Syrienreise steht Palmyra, die Ruinenstadt mitten in der Wüste: Jeder Stein ist hier wie ein Buch, könnte lange, schöne, grausame Geschichten erzählen. In den ersten drei Jahrhunderten n. Chr. war das spätere Handelszentrum an der legendären Seidenstraße ein blühendes Königreich. Seine bekannteste Regentin war nicht nur ehrgeizig, sondern auch größenwahnsinnig: Zenobia legte sich mit den Römern an. Die Stadt wurde daraufhin dem Erdboden gleichgemacht – noch heute sind rund 80 Prozent der alten Stadt zerstört oder vom Wüstensand erobert worden. Aber die bereits ausgegrabenen und restaurierten 20 Prozent haben es in sich und sind unbedingt eine Reise wert.

  • Studienreisen: Syrien ist bei mehreren Veranstaltern (u.a. Gebeco, Studiosus, Marco Polo) im Angebot, oftmals in Verbindung mit einem Vor- oder Nachprogramm in Jordanien. Spezialisiert auf Syrien sind auch einige kleinere Reiseveranstalter.
  • Einreise: Für Reisen nach Syrien benötigt man ein Visum. Vorteil bei einer Gruppenreise: Der Veranstalter kümmert sich um ein Sammelvisum.
  • Geld: Bezahlt wird im Land mit syrischem Pfund (1 Euro, ca. 80 Pfund). Dollars und Euros werden gerne akzeptiert.
  • Neues Deutschland bietet vom 18. bis 25. 10. 2009 eine Leserreise nach Syrien (Damaskus, Palmyra, Homs, Aleppo, Apameia) an. Preis: 1195 Euro. Verlängerung nach Jordanien mit Petra ist möglich. Infos bei Irene Kohlmetz, Tel.: (030) 29 78 16 21, E-Mail: i.kohlmetz@nd-online.de
Der Personenkult um die Staatschefs Assad ist allgegenwärtig.
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