Werbung

Angriff aus Rom auf das UNHCR

Italiens Verteidigungsminister wird ausfällig

  • Lesedauer: 2 Min.
Von Wolf H. Wagner, Florenz

»Diese Organisation ist nicht die Bohne wert, die wird doch nur von den Medien hochgespielt!« So sprach Italiens Verteidigungsminister Ignazio La Russa über das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR).

Anlass zu der harschen Äußerung des italienischen Verteidigungsministers war ein Protest des UNHCR gegen die rüde Abschiebepraxis, die Italien seit dem 6. Mai übt. An diesem Tag hatte ein italienischer Frachter 240 Schiffbrüchige aufgenommen, die von der italienischen Kriegsmarine umgehend nach Libyen abgeschoben wurden.

Das UNHCR betreut derzeit weltweit 50 Millionen Flüchtlinge, zweimal – 1954 und 1981 – wurde es mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. In Italien unterhält es seit 1953 ein Büro, das seit 2006 auch die Aktivitäten der Organisation in Zypern, Griechenland, Malta, Portugal San Marino und im Vatikan verantwortet.

La Russa indes bezeichnete die UNHCR-Sprecherin in Italien, die Rechtswissenschaftlerin Laura Boldrini, als »unmenschlich und kriminell«. Es sei doch »menschenfeindlich, Flüchtlinge in Massenlagern aufzunehmen, um sie ein halbes Jahr später abzuschieben«.

Frau Boldrini zog es vor, auf diesen Angriff nicht zu reagieren: »Ich habe dazu nichts zu sagen, nichts zu kommentieren.« Doch die Öffentlichkeit nahm zu La Russas Ausfällen durchaus Stellung. »Völlig inakzeptabel«, urteilte Christopher Hein, Direktor des Italienischen Flüchtlingsrates (Cir). »Frau Boldrini hat ihre Aufgaben als Sprecherin des UNHCR immer mit größter Sorgfalt wahrgenommen, es gibt nichts, was daran zu kritisieren wäre.«

La Russas Bemerkung, Boldrini sei »eine Exponentin der Kommunisten«, setzte der Sekretär der Partei Rifondazione Comunista, Paolo Ferrero, nur lakonisch entgegen: »Laura Boldrini ist und war nie eingeschriebenes Mitglied unserer Partei. Die Aussagen des Ministers erklären nur den rassistischen und faschistischen Kurs, den diese Regierung steuert.«

Der Führer der christdemokratischen UDC, Pier Ferdinando Cassini, charakterisierte die Angriffe La Russas als »nicht gerade geniale Idee. Der Verteidigungsminister sollte vor dem Reden nachdenken«. Schärfer noch reagierte die Demokratischen Partei (PD). Der frühere Ministerpräsident Massimo D'Alema nannte La Russas Ausfälle »unannehmbar«, sie seien eine »Kriegserklärung an die Flüchtlinge«.

Um das Gesicht nicht vollends zu verlieren, lenkte auch Außenminister Franco Frattini ein: »Selbst wenn man in Betracht zieht, dass die Vereinten Nationen sich mit den Vorwürfen gegenüber Italien irrten, sind die internationalen Organisationen zu respektieren.« Der Fraktionsvorsitzende der Regierungspartei »Volk der Freiheit« dagegen sah keinen Anlass, sich mit dem Verteidigungsminister auseinanderzusetzen. Maurizio Gasparri wörtlich: »Wir brauchen keine Lektionen in Demokratie, von niemandem.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal