»Der Kampf fand sein bitteres Ende«
Mit dem Tod ihres Führers ist die Niederlage der Tamilenrebellen in Sri Lanka besiegelt
Ein kleiner Fahrzeugkonvoi, der die nur noch 100 mal 100 Meter messende Kriegszone bei Velamullivaikal verlassen wollte, kam unter Beschuss eines Spezialkommandos der Armee Sri Lankas. Angeblich geriet das Fahrzeug, in dem der Chef der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) saß, in Brand. Er soll sich in Begleitung des Leiters des Geheimdienstes, Pottu Amman, und des Kommandeurs der See-Tiger, Soosoi, befunden haben. Alle Fahrzeuginsassen kamen ums Leben.
Zuvor hatte die Armee mitgeteilt, in der Kriegszone die Leichen von Rebellenführern gefunden zu haben. Darunter befand sich Prabhakarans ältester Sohn Charles Anthony, der im Verlauf der Kämpfe im Norden zuvor schon erheblich verwundet worden war. Auch der Chef der politischen Abteilung, Balasingham Nadesan, Truppenkommandeur Ramesh, der Leiter des LTTE-Friedenssekretariats, Shivaratnam Pulidevan, sowie Polizeichef Ilanga Sundaram waren unter den identifizierten Toten.
Damit dürften Staatspräsident Mahinda Rajapakse, der am heutigen Dienstag auf einer Sondersitzung des Parlaments sprechen wird, und die Streitkräfte ihr Ziel erreicht haben, die Führung der LTTE zu eliminieren und deren Militärapparat zu zerschlagen. Obwohl damit die Ära massiven tamilischen Widerstands gegen singhalesische Dominanz ihr Ende findet, bedeutet das nicht, das die LTTE völlig ausgelöscht worden ist. Man rechnet damit, dass Trupps überlebt haben, die zur alten Guerillataktik aus den 1980er Jahren greifen und hier und da mit Aktionen auf sich aufmerksam machen.
Prabhakaran, der von seinen Kameraden als »Führer« betitelt wurde, hatte 1976 die LTTE gegründet und 1983 den bewaffneten Kampf aufgenommen. Er galt als der unangefochtene Kopf der Organisation, der keine Konkurrenz duldete, weder in seinem militärischen Bereich noch seitens anderer tamilischer Organisationen und politischer Parteien. Ihm wird »revolutionärer Sozialismus, der auf die Schaffung einer egalitären Gesellschaft zielt«, als ideologische Grundrichtung zugeschrieben. Doch in keiner seiner Reden ließ er davon etwas durchblicken. Sein immer wieder bekräftigtes Bekenntnis lautete: militanter tamilischer Nationalismus. Von seinem Ziel, der Schaffung eines unabhängigen Tamilenstaates unter seiner Führung, rückte er nie ab. Auch nicht, wenn er seine Repräsentanten zu Friedensgesprächen mit der sri-lankischen Regierung ins Ausland schickte. Prabhakaran absolvierte die 10. Klasse, wurde danach »hauptberuflich« Befreiungskämpfer, heiratete 1984, hatte eine Tochter und zwei Söhne.
Der Verbindungsmann für internationale Beziehungen der LTTE, Selvarasa Pathmanathan, hatte schon am Sonntag verkündet: »Dieser Kampf hat sein bitteres Ende gefunden. ... Wir haben beschlossen, unsere Waffen schweigen zu lassen.« Das war eine verschlüsselte Kapitulation vor der Kriegsmaschinerie Colombos. Pathmanathan bekundete Bereitschaft, in einen Friedensprozess einzutreten. »Das ist das Gebot der Stunde. Dies sind historisch beispiellose Zeiten, die historisch weitsichtige Entscheidungen erfordern. Wenn das bedeutet, Tausenden Menschen das Leben zu retten, muss man sie treffen«, hieß es in seiner Erklärung, die von der Regierung Sri Lankas umgehend abgelehnt wurde.
Mit dem Tod Velupillai Prabhakarans ist der Krieg beendet, der ethnisch-soziale Konflikt harrt jedoch weiter einer nachhaltigen, alle Seiten befriedigenden Lösung. Dafür trägt nun Präsident Rajapakse die volle Verantwortung. Zuerst gilt es, eine Reihe brennender humanitärer Aufgaben zu bewältigen, das Flüchtlingsproblem irgendwie in den Griff zu bekommen. Suresh Bartlett von der Hilfsorganisation World Vision Lanka schaut schon ein Stückchen voraus und äußerte: »Die wirkliche Herausforderung ist jetzt, ein Umfeld zu schaffen, in dem die entwurzelten Tamilen eine reelle Chance erhalten, für sich und ihre Kinder eine Zukunft aufzubauen.« Die rund 250 000 Vertriebenen, darunter etwa 80 000 Kinder, müssten so schnell wie möglich in ihre Heimatdörfer zurückkehren dürfen und dort Arbeit finden. Das schließe Minenräumen, Wiederaufbau der Infrastruktur und Schaffung einer Existenzgrundlage ein. Besondere Aufmerksamkeit habe den Kindern zu gelten, ihrer Versorgung mit Lebensmitteln, ihrer gesundheitlichen Betreuung und Schulbildung. Viele seien über Monate von einem Ort zum anderen getrieben worden, stets von den Kriegsfurien bedroht, körperlich und seelisch traumatisiert.
Bartlett plädiert für Programme zur Vertrauensbildung zwischen der tamilischen Minderheit und der singhalesischen Mehrheit, um Vorurteile abzubauen und Wunden zu heilen. Darin sollten die Kinder bewusst vorrangig berücksichtigt werden. Das alles könne freilich nur in Angriff genommen werden wenn die Geberländer nicht knausern. In fast drei Jahrzehnten Krieg, so Suresh Bartlett, hätten zwei Generationen bereits ihre Zukunft verloren. Das dürfe sich nun nicht fortsetzen.
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