Schach im Glashaus
Ungewöhnliche Kulisse beim Turnier in Sofia
Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Dieser Spruch gilt auch in Sofia, wo sechs Weltklasse-Großmeister derzeit ihre Figuren in einem Glaspavillon bewegen. Sie sitzen dort gut erkennbar für Zuschauer und Passanten auf einer Freifläche vor dem Nationaltheater. Zum fünften Male erlebt die bulgarische Hauptstadt ein Schachturnier der Weltelite, aber noch nie war das Spiel der Könige so öffentlich und hautnah. Zur Halbzeit liegt das Trio Magnus Carlsen (Norwegen), Weselin Topalow (Bulgarien) und Alexej Schirow (Spanien) mit jeweils drei Punkten aus fünf Partien in Führung.
Nebenan im Stadtpark brüten die Schachamateure. An Marmortischen und auf Bänken zocken sie um zwei Lewa (einen Euro) pro Partie. Mehr Geld haben sie nicht. Nach ihren Regeln dauert ein Spiel auch nur zehn Minuten.
Mehr Glamour wird natürlich beim Großmeisterturnier verbreitet, das zur Grand-Slam-Serie der Schachprofis gehört. Fünf Tage lang war Carmen Kass hier. Das Topmodel ist auch Präsidentin des Schachverbandes von Estland und mit dem deutschen Großmeister Eric Lobron liiert. Seit fünf Jahren wirbt sie für das edle Spiel. Zu Beginn loste sie in Sofia die Startnummern aus und bescherte dem Favoriten Topalow zum Auftakt mit Carlsen gleich den härtesten Gegner. Der norwegische Wunderknabe überspielte den Weltranglistenersten nach allen Regeln der Kunst. Aber der Exweltmeister ist ein Kämpfer und kam mit zwei Siegen in Folge wieder ins Turnier zurück.
In Sofia verfolgt ein Junge jeden Tag mit großen Augen die Partien der Schachhelden. Kiprian Berbatow, Cousin des Fußballstars Dimitar Berbatow von Manchester United, ist zwölf Jahre alt und selbst schon FIDE-Meister. Der Sohn eines Priesters aus Blagojewgrad begann mit vier Jahren Schach zu spielen, wurde schon mehrmals bulgarischer Kindermeister. Sein großes Vorbild ist natürlich Weselin Topalow. Am Sonntag gewann Kiprian überlegen das Juniorturnier am Rande des Masters. Zur Finalpartie durfte er im Glashaus an Topalows Schachtisch sitzen.
Auf die Frage, ob sein Cousin Dimitar Berbatow auch Schach spielt, schüttelt Kiprian den Kopf. »Dazu hat er keine Zeit. Ich drücke ihm die Daumen für das Champions-League-Finale.« Selbstredend spielt der Junge in seiner Freizeit auch gern Fußball. Am gestrigen Ruhetag des Schachturniers kickte der kleine Berbatow mit Topalow, Carlsen & Co bei einem Freundschaftsmatch der Großmeister gegen eine Lewski-Auswahl.
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