Wenn der Bock zum Gärtner gemacht wird
Personalgeschacher der saarländischen CDU sorgt für Unmut bei SPD und LINKEN
Das Saarbrücker Amtsgericht hatte im Februar ganz klar geurteilt: Die Aktion war unrechtmäßig, weil sie unter völlig falschen Voraussetzungen genehmigt worden war. Damals, im Jahr 2003, lief die Suche nach dem vermissten kleinen Jungen Pascal aus Saarbrücken-Burbach auf Hochtouren. Die Polizei beantragte im Zuge dieser Ermittlungen beim Amtsgericht, die telefonischen Daten eines V-Mannes, speichern zu dürfen, die Richter stimmten dem zu.
Sechs Jahre später fühlte sich dasselbe Gericht aber getäuscht. Bei der ganzen Aktion sei es in Wahrheit »von Anfang an nicht um die Gewinnung weitergehender Informationen in dem Ermittlungsverfahren« gegangen, nicht um die Frage also, was mit Pascal passiert ist, »sondern allein um den Nachweis, dass der Antragsteller Informant des Spiegels gewesen sei« – eine eher nebensächliche Information also, die die Polizei im Übrigen schon zwei Tage vor der Spitzel-Aktion hatte. Die Polizisten haben die Anrufe selbst nicht aufgezeichnet, wohl aber alle Rufnummern notiert und protokolliert, die dieser V-Mann Bernhard S. gewählt hat und die Verbindungsdaten derer, die S. angerufen haben. Darunter waren auch die Nummern der Spiegel-Redaktion und der SPD-Fraktion im Landtag. Informiert wurden darüber aber weder die Redakteure noch die Oppositionspolitiker. Der Mann, der als damaliger Leiter der Saarbrücker Kriminalpolizei-Inspektion (KPI) dafür verantwortlich war, heißt Peter Steffes.
In seiner Zeit sind auch die gesamten Pascal-Ermittlungen an die Wand gefahren worden. Bis heute konnte nicht geklärt werden, was mit dem Jungen passiert ist. Stattdessen wurde 13 Männern und Frauen über drei Jahre lang der Prozess gemacht – ohne Beweise und nur auf Grundlage widersprüchlicher Zeugenaussagen. Alle Angeklagten sind schließlich freigesprochen worden.
Inzwischen ist auch klar, dass die Aussagen zum Teil auf – vorsichtig ausgedrückt – sehr ungewöhnliche Weise zustande kamen. Einem der Beschuldigten, Dieter S., der eindeutig erklärte, nichts über den Verbleib Pascals zu wissen, legten Beamte etwa eine blaue Mülltüte vor, in die das Kind sicher gesteckt worden sei, und eine Schaufel, mit der der Leichnam dann wohl vergraben wurde. Im Prozess nannte der Vorsitzende Richter Ulrich Chudoba solche Aussagen nicht verwertbar.
Peter Steffes haben weder die Pascal-Ermittlung noch die Telefondaten-Affäre wirklich etwas anhaben können. Im Juli letzten Jahres war er zwar als Chef der Kripo zurückgetreten. Begründung: Zu viel medialer Rummel um seine Person. SPD und LINKE sprachen von einem »Bauernopfer«, Steffes Rückzug solle nur von der damaligen Innen- und heutigen Bildungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ablenken. »Die Verantwortung für die Abhöraffäre trägt die Ministerin«, erklärte LINKEN-Landeschef Rolf Linsler.
Doch die Landesregierung lässt ihren Spitzenpolizisten nicht hängen. Über die Gründe darf spekuliert werden. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Stefan Pauluhn, drückt es so aus: »Steffes hat einmal zum Ausdruck gebracht, dass er Ministerin Kramp-Karrenbauer den Kopf gerettet habe.« Auch der jetzige Innenminister Klaus Meiser ließ den umstrittensten Polizisten im Land nicht fallen, er gab ihm gleich einen neuen Job in seinem Ministerium, zuständig für Prävention. Anfang des Jahres war Steffes dann auch für ein Spitzenamt beim Landesamt für Verfassungsschutz im Gespräch – ausgerechnet zuständig für Observationen und V-Leute. »Hier soll der Bock tatsächlich zum Gärtner gemacht werden«, ärgerte sich Linsler.
Aus dem Wechsel zum Verfassungsschutz ist zwar schließlich doch nichts geworden, dafür fällt Steffes jetzt bei der Polizei die Karriereleiter noch einen Schritt nach oben. Denn Meiser will ihn zum neuen Leiter des Führungsstabs der Landespolizeidirektion machen. »Bedenklich« findet das Oppositionspolitiker Pauluhn. Steffes sei immerhin durch »gesetzeswidrige Ermittlungsmethoden, fragwürdige Sozialkompetenz und fehlende Kompetenzen in der Mitarbeiterführung« aufgefallen. Das Innenministerium hält die Kritik an der Personalie für politisch motiviert. Schweigt ansonsten aber und verweist auf die Landespolizeidirektion. Deren Sprecher Georg Himbert erklärt, die Stelle sei – wie alle – ganz normal ausgeschrieben worden. »Und Herr Steffes erfüllt alle Vorrausetzungen.« Deshalb »darf man damit rechnen«, dass er zum 1. Juni seinen Job antreten kann.
Damit Steffes dieses neue Amt auch bekommen kann, musste die Regierung aber erst ein ganzes Personalkarussell in Gang setzen. Der bisherige Führungsstabsleiter wechselt an die Spitze der Ermittlungsabteilung des Landeskriminalamts. Deren bisheriger Chef wird neuer Leiter der Abteilung »Staatsschutz« beim LKA, weil der Amtsinhaber zum Verfassungsschutz wechselt, und zwar – hier schließt sich der Kreis – in genau die Position, für die Steffes im Gespräch war. »Peinlich«, nennt Sozialdemokrat Pauluhn dieses »Personalgeschacher der CDU«. Für den LINKEN-Chef indes »riecht es stark nach Vetternwirtschaft«, dass Meiser seinen »Duzfreund« jetzt in den Führungsstab der Landespolizeidirektion gehievt hat.
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