Tauschen statt streiken

Viele Menschen kämpfen in der Krise ums nackte Überleben. Was heißt das für die Linke?

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Berliner Gruppe fels wollte in dieser Woche mit Aktivisten aus Griechenland, Deutschland und den USA über die Frage diskutieren, welche Rolle die Linken bei Protesten gegen die Wirtschaftskrise spielen können. Schnell wurde klar: Die Linke muss zuvor erstmal ihre eigene Krise in den Griff kriegen. Von der beabsichtigten Diskussion über eine gemeinsame »internationalistische Praxis« blieb man am Dienstagabend jedensfalls weit entfernt.

»Die Wirtschaftkrise hat in Griechenland zu größerer politischer Apathie geführt«, berichtete der Vertreter der Neuen linken Strömung (NAR), die sich 1990 von der Kommunistischen Partei Griechenlands getrennt hatte. So seien in Athen an diesem 1. Mai nur wenige Hundert Menschen auf die Straße gegangen. Als konkretes Beispiel für einen erfolgreichen Widerstand führte er den Kampf von Hausangestellten ohne Papiere an. Diese erkämpften sich mit Demonstrationen und Besetzungen das Recht auf eine eigene gewerkschaftliche Organisation. Dabei hatten sie auch den von der Sozialdemokratie dominierten Gewerkschaftsverband zum Gegner.

Auch Silvia Federici und George Caffentzzis von der Gruppe Midnight Notes aus den USA lieferten mit einen Blick in die Vergangenheit eine ernüchternde Bestandsaufnahme. Ihr Thema war zunächst die Krise der Arbeiterklasse in den USA, die sich von ihrer großen Niederlage in der Ära des konservativen Präsidenten Reagan bis heute nicht erholt habe. Das zeige sich auch bei den aktuellen Reaktionen auf die Wirtschaftkrise. »Statt um einen offensiven Kampf um Rechte, wie in den 70er Jahren, geht es heute um Abwehrkämpfe und die Sicherung des nackten Überlebens«, skizzierte Federici den Unterschied. Viele Menschen sind durch die Immobilienkrise obdachlos geworden und müssen nun in Zeltstädtem leben. Aber statt Streiks oder anderer politischer Aktionen haben Tauschringe und ähnliche Selbsthilfeeinrichtungen Konjunktur. Mancherorts gründen sich kleine Gruppen, die versuchen, die Räumung von gepfändeten Häusern zu verhindern. George Caffentzzis sieht in diesen Initiativen Keimzellen für neuen Widerstand.

Der aktive Berliner Gewerkschafter Erdogan Kaya führte die Demonstrationen vom 28. März und 16. Mai sowie den für Mitte Juni geplanten Bildungsstreik als Beispiele an, dass es in Deutschland erste Reaktionen auf die Krise gibt. Hier hätte eine interessante Debatte beginnen können. Schließlich gehört die Gruppe fels zu den Unterstützern eines Papiers, das unter dem Titel Agenda 2009 konkrete Protestschritte für die nächsten Monate auflistet. Doch dieser Text wurde auf der Veranstaltung nicht einmal erwähnt, statt dessen am Ende lautstark darüber gestritten, ob der DGB überhaupt ein Bündnispartner für die radikale Linke sein könne.

So muss man schließlich dem realitischen Befund von Erdogan Kaya zustimmen: »Unsere Krise hat nicht im letzten Herbst begonnen und wird auch nicht so schnell zu Ende sein.« Und damit meinte er nicht nur die Krise in der Wirtschaft.

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