Senioren: Auf Pflegebedürftigkeit im Alter sollte man sich rechtzeitig vorbereiten

Sozialversicherung

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Über zwei Millionen Menschen werden voraussichtlich bereits 2010 pflegebedürftig sein – Tendenz steigend. Diese Zahlen weisen darauf hin, dass es durchaus sinnvoll ist, sich ausführlich mit Pflegeversicherung, Pflegestufen und Pflegegeld auseinander zusetzen. Kinder von Pflegebedürftigen können plötzlich ungeahnten Kosten gegenüberstehen, wenn ihr Einkommen auf einen Selbstbehalt beschränkt wird und für die Eltern Unterhalt gezahlt werden soll. Nur wer rechtzeitig finanziell vorsorgt, kann dem Alter und einem möglichen Pflegebedarf entspannt entgegensehen.

Laut Pflegestatistik variieren die anfallenden Kosten für eine vollstationäre Pflege in Pflegestufe III in den Bundesländern stark, doch das Risiko zusätzlicher Pflegekosten ist deutschlandweit grundsätzlich vorhanden. In Nordrhein-Westfalen kostet ein Heimplatz bei Pflegestufe III im Schnitt 3130 Euro monatlich. Hingegen zahlen Pflegebedürftige hierfür in Sachsen-Anhalt etwa 2250 Euro. Bei einem Anspruch aus der gesetzlichen Pflegeversicherung von 1470 Euro in Stufe III muss so ein Fehlbetrag von monatlich 780 bis 1660 Euro durch den Pflegebedürftigen aufgebracht werden.

Viele Rentner können das nicht bewältigen. Und: In diese Rechnung sind individuelle Zusatzleistungen zur Krankenversorgung, Investitionskosten oder kleine private Wünsche, auf die auch im Heim niemand verzichten möchte, noch nicht einbezogen. Schnell sind dann Rente oder andere eigene Mittel aufgebraucht und die Kinder stehen in der finanziellen Pflicht.

Aber leider ist trotz aktueller Diskussion um die Pflegereform das Thema bisher nicht stark genug in den Köpfen verankert. Vor allem die jüngere Generation erkennt zwar die Wichtigkeit, setzt aber eher auf den Faktor Zeit und verschiebt das Handeln. So ist nur den wenigsten wirklich klar, dass eine Pflegebedürftigkeit mehrere Jahre andauern und hohe zusätzliche Kosten verursachen kann. In der Regel realisieren Betroffene erst im konkreten Pflegefall das Missverhältnis von Bedarf und Kosten. Wer sich dann ausschließlich auf die Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung verlässt, tappt schnell in eine Kostenfalle.

Konkret sieht das wie folgt aus: Wer voraussichtlich mindestens sechs Monate aufgrund von Krankheit oder Behinderung keine Alltagssituationen wie beispielsweise Anziehen oder Waschen mehr meistern kann, ist pflegebedürftig. Nach der Schwere der Bedürftigkeit richten sich dann die zu erhaltenen Pflegestufen. Ermittelt werden sie durch den von der Pflegekasse beauftragten Medizinischen Dienst. An den Pflegestufen orientieren sich dann die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung.

Pflegestufen: Um Überhaupt eine Pflegestufe zu erlangen, muss mindestens eine erhebliche Pflegebedürftigkeit vorliegen. Denn Voraussetzung für die erste Pflegestufe ist, dass bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich Bedarf von Hilfe besteht und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt wird. Beim Erreichen dieser Stufe zahlt die gesetzliche Versicherung 205 Euro monatlich bei der häuslichen Pflege durch Angehörige, 384 Euro bei dem Einsatz ambulanter Pflegedienste oder einer teilstationären Behandlung und 1023 Euro bei einer vollstationären Behandlung.

Empfänger von Pflegestufe II müssen bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Hierbei reicht die Kassenbeteiligung bei gleicher Aufteilung von 410 Euro über 921 Euro bis zu 1279 Euro.

Um die dritte Pflegestufe zugesprochen zu bekommen, ist eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung notwendig. Daher steigen die Sätze noch einmal von 665 Euro bei der privaten Versorgung bis zu 1432 Euro bei der professionellen Versorgung an. Lediglich Härtefälle, die zusätzlich auch noch nachts von zwei Pflegern betreut werden müssen, bekommen im Heim 1688 Euro und zu Hause 1918 Euro erstattet.

Auch wenn dies viel erscheint, ist zu beachten, dass die anfallenden Kosten dadurch noch lange nicht gedeckt sind. Um die so entstehende Differenz bestmöglich zu schließen, empfiehlt sich das Abschließen einer zusätzlichen privaten Pflegeversicherung. Denn ist bei dem Pflegebedürftigen nicht genügend Geld vorhanden, kann es unter Umständen sogar von den Angehörigen eingefordert werden.

Pflegeort: Ob der Patient lieber im Heim oder im häuslichen Umfeld und dort eher privat oder durch einen Pflegedienst betreut wird, kommt immer auf die jeweilige Situation an. Der Betroffene und die Angehörigen sollten sich jedoch ausführlich über die Optionen informieren und beraten.

Interessiert man sich für eine Heimunterbringung, sollten mehrere Heime begutachtet werden. Hierbei ist es wichtig zu erfahren, welches Pflegekonzept besteht und welche Angebote gemacht werden. Ob das Personal nett ist und sich ausreichend kümmert, ist am besten bei Bewohnern zu erfragen. Ebenso sollte auch die ambulante Krankenpflege geprüft werden. Ist sie auch nachts erreichbar, hat der Betreute möglichst wenige Bezugspersonen, sind die Leistungen übersichtlich? Generell ist zu empfehlen, einen Pflegevertrag nicht mit schlechten Gefühlen abzuschließen. Übrigens: Wer einen Angehörigen pflegt und vom ihm dafür dessen Pflegegeld bekommt, muss unter Umständen diese Summe bei seiner Krankenkasse angeben und dafür Beitrag zahlen.

Betroffen sind jene, die freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Kasse sind – etwa Selbstständige. Beitragspflichtig bis zur Bemessungsgrenze von 3675 Euro im Monat sind Freiwillige für ihre »gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit«. Dazu zählt laut Spitzenverband der gesetzlichen Kassen eben auch das vom Pflegebedürftigen weitergeleitete Pflegegeld.

Zu zahlen ist hierfür der ermäßigte Beitragssatz von derzeit 14,9 Prozent, ab 1. Juli sind es 14,3 Prozent. Wer einen Angehörigen mit Pflegestufe II betreut und dafür von ihm das Pflegegeld von 420 Euro monatlich bekommt, zahlt dafür also 62,58 Euro an die eigene Krankenkasse, ab 1. Juli 60,06 Euro.

Hinzu kommen die Beiträge für die Pflegeversicherung in Höhe von 1,95 Prozent beziehungsweise 2,2 Prozent bei freiwillig Versicherten ohne Kinder. Diese Summen sind zusätzlich zum normalen Krankenkassenbeitrag zu entrichten. Nur, wer bereits den Höchstbeitrag von rund 570 Euro im Monat bezahlt, braucht für das Pflegegeld keinen weiteren Obolus zu entrichten.

Nachzulesen ist die Regelung im Internet unter: www.gkv-spitzenverband.de.

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