Die Firma bestimmt das Bewusstsein

Theater unterm Dach zeigt mit »Unter der Gürtellinie« ein Stück des US-Autors Richard Dresser

  • Robert Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.
Kleinkrieg im Betrieb – Thomas Lehmann und Ralf Göhner beim Mobbing
Kleinkrieg im Betrieb – Thomas Lehmann und Ralf Göhner beim Mobbing

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Diese alte Volksweisheit kann mitunter zum Prinzip herhalten, um Mitarbeiter einer Firma in einer harten Konkurrenzsituation zu halten. Mit »Unter der Gürtellinie« zeigt das Theater unterm Dach ein Stück nach der Vorlage des US-Autors Richard Dresser, dessen drei Protagonisten versuchen, sich in einer Firma zu behaupten.

Die Inszenierung von Ingrun Aran zeigt das Verhalten zweier Kontrolleure und ihrer Vorgesetzten innerhalb eines großen Konzerns. Ein Neuer soll dem Alteingesessenen zur Seite stehen, dieser ist nicht sonderlich begeistert davon. Während die Chefin versucht, die beiden gegeneinander auszuspielen, traktiert der alte Kontrolleur den Neuen: »Du bist schwach, gib es zu!« Wird es zugegeben, heißt es: »Also bist du auch feige.« Wird es nicht zugegeben, wird aus diesem Widerstand Schwäche abgeleitet. In solch einem Gedankenrahmen mit Hühnerhof-Logik bewegt sich der ältere Kontrolleur, der seinen Kollegen so lange provoziert, bis dieser eine aggressive Reaktion zeigt – die wird dann als »authentisch« begrüßt.

Nach und nach passt sich der Neue an. So bewegen sich die zwei und ihre Vorgesetzten in einer Welt, in der das Außen als im Kern feindlich eingestuft wird, Anerkennung und Geborgenheit deshalb nur innerhalb der Firma möglich ist – wo genau dies jedoch ebenfalls immer wieder in Frage gestellt wird. So entsteht ein durch und durch negativ wirkender Raum, der einer freundlichen, offenen Haltung gegenüber dem Leben wenig förderlich ist.

Auf der Bühne wird diese Art Seelen-Käfig mit seinen düsteren emotionalen Untertönen erschreckend authentisch dargestellt. Victoria Pickett, Thomas Lehmann und Ralf Göhner geben ausgesprochen glaubhaft drei Menschen, die Teil eines Kadersystems sind, von dem sie letztlich völlig vereinnahmt werden. Irgendwann bestimmt das Firmen-Sein ihr Bewusstsein und nachdem dieser Prozess abgeschlossen ist, beginnen sie mangels Alternativen ihre Arbeit sogar zu lieben.

Klasse gespielt! Je nach Sichtweise kann es mitunter Sinn machen, das Geschehen auf der Bühne mit etwas Abstand zu betrachten, um scharf zu sehen, wie der von Richard Dresser beschriebene »Gehirnwäscheprozess« funktioniert.

25. und 26. Juni, 2. und 3. Juli, 20 Uhr, Theater unterm Dach, Danzigerstraße 101, Kartentelefon: 902 95 38 17, weitere Informationen im Internet unter www.theateruntermdach-berlin.de

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