Die doppelte Staatsgründung

Jahrbuch I: Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung

  • Günter Benser
  • Lesedauer: 2 Min.

Das »JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung« hat die doppelte deutsche Staatsgründung 1949 zum Anlass genommen, sein neuestes Heft zeitgeschichtlichen Themen der deutschen Nachkriegsgeschichte zu widmen, darunter auch solchen, die von anderen Medien weitgehend gemieden werden.

Dass die deutsche Teilung nicht alternativlos und auch ein anderes Deutschland als die heute real existierende Bundesrepublik möglich war, dies beweist Rolf Badstübner, gestützt auf einschlägige Quellen, Zeugnisse sowohl deutscher als auch alliierter Politik. Ökonomische Probleme der DDR erhellen Anneliese Braun und Jörg Roesler. Während Braun vor allem die Kritik von Fritz Behrendt am Staatssozialismus und sein Konzept einer »sozialistischen Warenproduktion« analysiert, untersucht Roesler die Rolle der Brigaden, die Stellung der Meister und Werkleitungen in den volkseigenen Betrieben, das Arbeitsregime und das Arbeitsklima in der Planwirtschaft. Sind diese Beiträge für sich genommen sehr anregend, so offenbart indes gerade ihr Nebeneinander ein Dilemma: Solange die Kluft zwischen politökonomischen Betrachtungen und der Einschätzung praktischer Erfahrungen der Arbeitswelt nicht überwunden wird, wird die LINKE nicht zu einem tragfähigen, machbaren Entwurf einer demokratisch-sozialistischen Ökonomie gelangen.

In der Rubrik »Dokumentarisches« wird von Jochen Hahn und Walter Friedrich ein Forschungsbericht des Instituts für Jugendforschung (Leipzig) zum Thema »Lieder für den Frieden« aus dem Jahre 1983 vorgestellt, in dem – mit zeitgenössisch übertriebenen Erwartungen und Ansprüchen – die Wirkung dieses Musikgenres auf die junge Generation untersucht wurde. Ebenfalls auf Erhebungen dieses Instituts beruht die von Günter Agde vorgestellte Untersuchung der Aufnahme des DEFA-Filmes »Ich war 19«, die seinerzeit von Lothar Bisky und Günter Netzeband vorgenommen wurde. Joachim Heise hat in der Stasi-Unterlagenbehörde eine Einschätzung des MfS von 1981 aufgespürt, in dem Ergebnisse der Observation der Kirchen und Religionsgemeinschaften der DDR bewertet werden. Das Papier zeugt von Sicherheitsneurose; offen bleibt die Frage, inwieweit hier dennoch auch Aktivitäten registriert worden sind, die tatsächlichen subversiven Charakter trugen. Besonderes Interesse werden gewiss die Entwürfe für Hoheitszeichen einer DDR aus dem Jahre 1949 finden.

Das »JahrBuch« erweist sich als Erbin der traditionsreichen »Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung«, die der Trafo-Verlag trotz gerichtlich durchgesetzter Ansprüche nicht wirklich fortzuführen vermag.

JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Heft II/2009. 600 S., br., 10 €. Bestellung: Redaktion »JahrBuch«, Weydingerstr. 14-16, 10178 Berlin oder redaktion@arbeiterbewegung-jahrbuch.de

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