Hamburg tut nobel, hält aber den Rotstift bereit

Noch ist unklar, wie das Land die Milliardenlöcher im Haushalt stopfen will. Prestigeprojekte stehen nicht zur Disposition

  • Volker Stahl
  • Lesedauer: 4 Min.
Den Hamburger »Pfeffersäcken« – für Nicht-Hanseaten: Kaufleuten – eilt der Ruf voraus, gut mit Geld umgehen zu können. Für die Hamburger Politikerkaste scheint das nicht zu gelten. Schwarz-Grün treibt den in 40 SPD-Regierungsjahren angehäuften Schuldenberg in Rekordhöhen – schuld ist nicht nur die Wirtschaftskrise.

Dem Hamburger Finanzsenator Michael Freytag (CDU) weht ein besonders frischer Wind ins Gesicht: Allein in den ersten Monaten dieses Jahres fehlen der Hansestadt 520 Millionen Euro – auch eine Folge der schwachen Konjunktur, von der Hamburg als Hafen- und Exportmetropole besonders betroffen ist. Im Mai wurde bekannt, dass der Stadtstaat im Doppelhaushalt 2009/10 Steuerausfälle von 1,8 Milliarden Euro einkalkulieren muss. In den nächsten vier Jahren fehlen fünf Milliarden Euro in der Kasse.

Keine schönen Aussichten für den Schuldenmacher Freytag, der bis vor Jahresfrist als Kronprinz von Bürgermeister Ole von Beust gehandelt wurde. Der kündigte derweil »ein unendlich hartes Sparprogramm« an, um die Zinsen in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro bezahlen zu können.

Das von der schwarz-grünen Regierung ursprünglich angesteuerte Ziel, einen ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren, ist durch die jüngste Entwicklung ins Reich der Utopie gerückt. Damit das finanzielle Desaster nicht weiter ausufert, will die Koalition Investitionen verschieben. Steuererhöhungen sind nicht geplant, obwohl dringend frisches Geld benötigt wird. Deshalb werde der Senat neue Kredite aufnehmen, kündigte von Beust zähneknirschend an. Es solle nicht an Stellen gespart werden, die langfristig Erfolg versprächen.

100 Prozent mehr Miete durch Umzug des Bezirksamts

Ein heikles Thema. Denn gespart wird nicht beim Prestigeprojekt Elbphilharmonie, obwohl die Kosten dort explodiert sind. Auch das teure Lieblingsspielzeug der Grün-Alternativen Liste (GAL), die Stadtbahn, steht nicht zur Disposition – die Grünen wollen die 1978 von der SPD abgeschaffte Straßenbahn wieder ins Rollen bringen. Kommen sollen auch die neue Pferde-Rennbahn in Horn, die Hafen City Universität, die Verlagerung der Hauptuni an den ebenfalls im neuen Stadtteil gelegenen Grasbrook. Nicht zu vergessen: die Mehrkosten der U 4, die die HafenCity an das Hamburger U-Bahn-Netz anbinden soll.

Und weil sich die teuren Büromieten in der HafenCity in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht jedes Unternehmen leisten kann oder will, tritt die Stadt auch noch als Sponsor notleidender Investoren auf. Geplant ist der Umzug des zur Zeit in einem unwirtlichen Hochhaus angesiedelten Bezirksamts Mitte direkt ans Wasser. Die 1000 Mitarbeiter sollen die noch recht tote Bürolandschaft in der HafenCity durch den Einzug in Luxus-Büros beleben. Schön für die Beschäftigten und den neuen Stadtteil, schlecht für den Steuerzahler: Die von ihm zu berappende Miete wird sich um fast hundert Prozent auf rund 750 000 Euro monatlich erhöhen.

Und das ist nicht alles. Unkalkulierbare Belastungen in Milliardenhöhe könnten in den nächsten Jahren ins Haus stehen, wenn die HSH Nordbank doch noch pleite macht. Weil die Kosten für das angeschlagene Institut in eine eigenständige Anstalt des öffentlichen Rechts ausgegliedert wurden, tauchen sie im aktuellen Haushalt nicht auf – die viel kritisierten 2,9 Millionen Euro Sonderzahlung für HSH-Chef Nonnenmacher schon. In großer Not ist zudem die Traditionsreederei Hapag Lloyd, an der Hamburg beteiligt ist. Das Unternehmen benötigt in den nächsten anderthalb Jahren 1,75 Milliarden Euro Kapital …

Bekanntes Rezept: Sparen beim Sozialen

Angesichts der trüben finanziellen Aussichten fordert der Hamburger Bund der Steuerzahler ein »eisernes Haushaltskonsolidierungskonzept« zur Eindämmung der »unverantwortlichen Rekordverschuldung«. Schon heute seien die Hamburger mit 37 Milliarden Euro Schulden und jährlichen Zinszahlungen von einer Milliarde belastet, rechnet deren Vorsitzender Frank Neubauer vor. »Damit wird der politische Handlungsspielraum in unverantwortlicher Weise eingeschränkt.« Neubauer empfiehlt, politische Wunschprojekte zu verschieben.

Auch von der Opposition hagelt es Kritik. SPD-Fraktionschef Michael Neumann hat Bürgermeister von Beust und Finanzsenator Freytag als »Hauptverantwortliche für die jetzt klaffenden Haushaltslöcher« bezeichnet. Hamburg leide nicht nur unter Steuereinbrüchen durch den derzeitigen Konjunktureinbruch. Die Stadt leide auch unter den Folgen einer unsoliden Finanzpolitik in den wirtschaftlich guten Jahren. SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher befürchtet in Anspielung auf die von Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) angedeuteten Einsparungen bei Kitas, dass »der Senat jetzt den Rotstift in Bereichen ansetzt, die ursprünglich der sozialen Spaltung Hamburgs entgegenwirken sollten«. Joachim Bischoff, der finanzpolitische Sprecher der Linken, sagte: »Leider läuft die Krisenverarbeitung bislang auf die Wiederholung eines bekannten Auswegs hinaus: Die Rechnung wird von der Masse der kleinen Leute bezahlt.«

In welchen Bereichen zum Kahlschlag angesetzt wird, entscheidet der schwarz-grüne Senat auf einer Klausurtagung im Herbst.

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