Konkurrenz zwischen Schiff und Landschaft

Seit 17 Jahren wehren sich Flussschützer gegen den Ausbau von Elbe und Saale

  • Hendrik Lasch, Barby
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach der Flut 2002 war der Ausbau der Elbe wahlentscheidend. Jetzt will Sachsen-Anhalts Minister für Verkehr noch immer die Wasserautobahn. Flussschützer im Elbe-Saale-Camp halten die Idee für völlig überholt.

Am späten Vormittag tuckert ein Schubschiff gemächlich an der Elbfähre Barby vorbei. Dann herrscht am Flusskilometer 292 wieder Ruhe. Paddler lassen sich stromabwärts treiben, ein Motorboot kämpft gegen die Strömung. Aber Frachtschiffe? Fehlanzeige. »Die Güterschifffahrt«, sagt Ernst Paul Dörfler, »kehrt der Elbe den Rücken.« Der Elbe-Experte des Umweltverbandes BUND kommt nicht allein zu dieser Einschätzung. Das Bundesamt für Güterverkehr zieht ein ähnliches Fazit.

Historisches Tief im Güterverkehr

Der Blick auf die Zahlen lässt keine anderen Schlüsse zu, sagte Dörfler gestern am Rand des 17. Elbe-Saale-Camps in Barby. 2008 sei mit 0,7 Millionen Tonnen »ein historisches Tief« beim Aufkommen an Fracht verzeichnet worden. Dass die für den Unterhalt der Bundeswasserstraße zuständige Behörde dennoch über einen Etat von 40 Millionen Euro verfüge, halten Kritiker angesichts dessen für hanebüchen.

Obwohl die Kurve beim Frachtaufkommen immer weiter nach unten zeigt, verabschiedet sich die Politik nicht von den Ausbauplänen – im Gegenteil. Rechtzeitig zum Camp, einem alljährlichen Treffpunkt von ostdeutschen Flussschützern, bekräftigte Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU) die Vorhaben. Nicht zuletzt wegen der für viel Geld ertüchtigten Infrastruktur an der Saale sei der Ausbau der Elbe auf eine ganzjährige Wassertiefe von 1,60 Metern unumgänglich, sagte er auf einer CDU-Elbekonferenz.

Damit habe Daehre »die Maske fallen gelassen«, schrieb eine Zeitung: Schließlich betonen Umweltverbände seit Jahren, der Ausbau der Häfen erhöhe den Druck auf eine Vertiefung der Elbe. Noch mehr gelte das für den am Unterlauf der Saale vorgesehenen, rund 100 Millionen Euro teuren Seitenkanal. Dörfler überraschen weniger die Äußerungen als vielmehr der Starrsinn. Es gehe darum, einen Ausbau zu forcieren, der »unter dem Deckmantel der Erhaltung und Ertüchtigung von Ufern und Buhnen längst passiert«.

»Von Haus aus ein Niedrigwasserfluss«

Ignoriert werde dabei, dass die Elbe »von Haus aus ein Niedrigwasserfluss« sei: Hauptproblem sei, dass es nicht genug Wasser gebe, sagt Dörfler. Uferbefestigung oder das Ausbaggern der Fahrrinne führen lediglich dazu, dass sich der Fluss weiter in seinen sandigen Grund eingräbt – mit verheerenden Folgen für die Auwiesen, auf denen Bäume und andere Pflanzen wachsen, die regelmäßige Überflutungen brauchen. Die Gefahr wird inzwischen auch von Behörden anerkannt. Dörfler zitiert ein Gutachten der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost, in dem eine »erhebliche Gefährdung« etwa für das als UNESCO-Welterbe ausgewiesene Dessau-Wörlitzer Gartenreich konstatiert wird.

Flussschützer wie Dörfler betonen seit Jahren, dass an der Elbe eine »Wasserkonkurrenz zwischen Schifffahrt und Landschaft« besteht: Es gebe »entweder lebendige Auenwälder oder eine rege Schifffahrt«. Letztere sei aber nur zu erreichen, wenn der Fluss angestaut werde – eine Option, die selbst Befürworter des Gütertransports auf dem Fluss zumindest nicht offen in Erwägung ziehen. Umweltschützer treten nicht zuletzt mit dem Camp, das seit 17 Jahren jeden Sommer auf den Uferwiesen nahe der Saalemündung bei Barby stattfindet, dafür ein, die Ausbaupläne für den letzten großen frei fließenden Fluss Deutschlands gänzlich zu beerdigen.

Vor sieben Jahren war diese Forderung auch im Wahlkampf populär: Kurz nach dem verheerenden Hochwasser im August 2002 hatte der Schutz des Flusses viele Befürworter. Ausbaupläne wurden später von der rot-grünen Bundesregierung ausgesetzt. Vor der Wahl 2009 hat der BUND jetzt einen Brief an alle Parteien geschrieben, um ihre Positionen zum Flussausbau zu erfahren. Die meisten Antworten stehen aus. Für Dörfler ist sie klar: »Man muss sich davon verabschieden, und sei es nur aus volkswirtschaftlichen Gründen.«

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