Von der Baracke zum modernen Klinikkomplex

In einer Ausstellung wird die 70-jährige Geschichte des Krankenhauses Kaulsdorf beleuchtet

  • Barbara Staacke
  • Lesedauer: 2 Min.

Es ist 1940. Bomben fallen auf Berlin. Das veranlasst Rüstungs- und Bauminister Albert Speer, den Bunkerbau voranzutreiben. Zu diesem Zweck lässt er auf einem Kaulsdorfer Freigut an der Myslowitzer Straße ein Lager für tausend verschleppte Zwangsarbeiter errichten. Nachdem die Befreier Nazideutschland immer näher kommen und sich die Kriegslage für die Faschisten verschlechtert, gibt die Speer unterstellte Bautruppe Todt das Vorhaben auf und beginnt mit dem Ausbau eines Behelfslazaretts, an dem auch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter schuften müssen. Ende 1942 geht das kleine Krankenhaus am Rande der Stadt schließlich in Betrieb.

Tappte man bisher im Dunkeln, was die Zeitspanne 1939 bis 1945 betrifft, konnte die Lücke anhand von Plänen und Dokumenten, die Historiker Bernd Maether im Moskauer Militärarchiv aufstöberte, nun geschlossen werden. Dazu trug auch Charlotte Schulz, eine der wenigen Zeitzeugen, bei. Die junge Krankenschwester, die bis 21. April 1945 im Krankenhaus arbeitete, versorgte Hunderte von Schwerverletzten gemeinsam mit einem spärlich besetzten Ärzteteam, während entlang der B1 die Schlacht um Berlin tobte.

»Darunter waren blutjunge Männer und Greise, die als letztes Aufgebot ihren Einsatz mit Leib und Leben bezahlten«, erinnert sich die heute 88-jährige Schulz. Auch Ärzte und Schwestern, darunter Polen, Ungarn und Russen, kamen bei Luftangriffen um. Allein 22 Menschen verloren bei der Bombardierung am 21. Juni 1944 ihr Leben. »Das Krankenhaus überstand dies, wenn auch mit erheblichen Schäden«, sagt Maether, der jüngst im Schloss Biesdorf anhand von Fotos und Fakten die Ereignisse, unter anderem die Fusion mit dem Wilhelm-Griesinger-Krankenhaus (1997) und Übernahme des Klinikums durch den Vivantes-Konzern (2001) Revue passieren ließ.

Lange Zeit war der Standort in Frage gestellt. Umso mehr erfüllt es Marzahn-Hellersdorfs Bürgermeisterin Dagmar Pohle (LINKE) mit Genugtuung, dass sich Rot-Rot im Bestreben um den Erhalt am Ende behaupten konnte. Im Zuge der geplanten Umstrukturierung wird es das Kaulsdorfer Krankenhaus in seiner ursprünglichen Form nicht mehr geben. Fast alle historischen Bestände wurden indes abgerissen, um einem Neubau Platz zu machen. Die am Brebacher Weg stationierte Erwachsenen-Psychiatrie soll dort einziehen. Im Oktober erfolgt der erste Spatenstich. Dagmar Pohle verbindet mit dem künftigen modernen Bau vor allem die Einsparung von Zeit und Wegen. Bis 2014 wird noch ein zweiter Komplex für die somatischen Kliniken errichtet werden. Einzig das sanierte Haus 7 bleibt als Relikt des im Zweiten Weltkrieges entstandenen Krankenhauses erhalten.

Von umso größeren Wert ist die im neuen Anbau (7a) zu sehende Ausstellung, die als Ergebnis von Maethers Recherchen einen Abriss über die 70-jährige Geschichte des Krankenhauses gibt. Allein die Aufnahmen der Häuser und die in einer Holzbaracke untergebrachte Kinderbadeanstalt dürften Seltenheitswert haben.

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