Der Stasibeauftragte und die Folgen

Abrechnung mit der Nachwende-Politik erwartet

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Einsetzung eines Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur war eine in letzter Minute beschlossene Sache. Eingeleitet wird damit aber gleichzeitig die Abrechnung mit den führenden Landespolitikern der ersten Nachwendejahre.

Neben den Medien widmet sich eine Vielzahl von staatlich finanzierten Gremien dem Thema DDR-Staatssicherheit. Verständlich, dass sich der Abgeordnete der Linkspartei Heinz Vietze per parlamentarischer Anfrage erkundigte, welches Defizit die Landesregierung bei der Betreuung von Opfern eigentlich sieht. Die Antwort spricht eher gegen die Schaffung eines neuen Amtes. Die notwendige Betreuung der Opfer wird nach Aussage von Staatskanzleichef Clemens Appel (SPD) auch heute schon von einer Vielzahl von Organisationen wahrgenommen. »Die Interessen der Opfer des SED-Unrechtsregimes werden im Land Brandenburg auf unterschiedliche Weise gewahrt«, betonte er. Das Bundesland biete den Bürgern »ein dichtes Netz von Beratungsangeboten«. Zwar sei zum Jahresende die Potsdamer Außenstelle der Birthler-Behörde geschlossen worden, doch werde auch im Potsdamer Rathaus zwei Mal im Monat, in Cottbus ein Mal, eine Beratung angeboten, in der Frankfurter Außenstelle der Birthler-Behörde ohnehin. Hinzu kommen regelmäßige Sprechstunden des Berliner Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in weiteren brandenburgischen Kommunen.

Dass dennoch der Stasi-Beauftragte kommen soll, begründet Appel in seiner Antwort mehrfach mit »Wunsch des Landtags« bzw. dem »Willen des Landtags«. Nach Schließung der Potsdamer Außenstelle »kann es sinnvoll sein«, diesen Weg zu beschreiten. Das klingt so, als hätte die Regierung mit dem Vorgang nicht viel zu tun. Und im Landtag gab es Widerstand bis in die SPD-Fraktion hinein. Im Landtag hatten der einstige Innenminister Alwin Ziel und der frühere Fraktionschef Wolfgang Birthler (beide SPD) dem Gesetz ihre Zustimmung verweigert. Offenbar schwante ihnen, dass mit dem nun eingeleiteten Schwenk die ersten zehn Nachwende-Jahre der neu-brandenburgischen Politik am Pranger stehen. Ganz nach der Methode »Die Revolution entlässt ihre Kinder«.

Denn all jene Politiker, die in den 90er Jahren den Umgang »mit menschlichem Maß« befürwortet haben, geraten nun ins Zwielicht, allen voran Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe. Aber auch die damalige Sozialministerin Regine Hildebrandt war mit der Art und Weise einverstanden, wie in Brandenburg mit der jüngsten Geschichte umgegangen wurde. Konsens im Landtag der 90er Jahre war, nach Einzelfallprüfung in bestimmten Fällen, auch einstigen MfS-Mitarbeitern den Übergang in den öffentlichen Dienst Brandenburgs zu ermöglichen. Am Pranger steht sogar Jörg Schönbohm, der in seinen zehn Jahren als CDU-Innenminister offenbar kein Problem mit Mitarbeitern hatte, die einstmals beim MfS waren. Heinz Vietze wies darauf hin, dass weder in der SPD/CDU-Koalitionsvereinbarung von 1999 noch in der von 2004 die Notwendigkeit eines solchen Stasi-Beauftragten gesehen worden war.

Auffällig war auch, dass bei diesem wichtigen Gesetz eben nicht Ministerpräsident Matthias Platzeck für die Landesregierung das Wort ergriff, sondern Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD). Denn auch Platzeck saß seit 1990 im Kabinett und hat die Nichtberufung eines solchen Beauftragten zwei Jahrzehnte lang mitgetragen. SPD-Fraktionschef Günter Baaske bestritt bei der abschließenden Lesung, dass es Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe gewesen sei, der die Einsetzung eines solchen Beauftragten verhindert habe.

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