Ein deutsches Problem

Brüsseler Spitzen

  • Birgit Daiber
  • Lesedauer: 2 Min.
Birgit Daiber leitet das Brüsseler Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Birgit Daiber leitet das Brüsseler Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Die Krise, so scheint es, gibt es nicht in Europa. In Deutschland vor der Bundestagswahl sowieso nicht. Die Nachrichten über Arbeitsplatzabbau, Pleiten und die Überschuldung der öffentlichen Haushalte verstecken sich in den Fachblättern »Handelsblatt« und »Financial Times« und Herr Steinbrück und Frau Merkel kommen regelmäßig mit guten nichtssagenden Nachrichten aus Brüssel und von den G20-Treffen zurück.

In Brüssel herrscht tiefe Stille: Ja, man denkt an eine europäische Bankenaufsicht, ja, man möchte eine Empfehlung zur Begrenzung von Manager-Gehältern formulieren. Und die in schwere Schieflage geratenen, zum Teil vor einem Staatsbankrott stehenden neuen mitteleuropäischen Mitgliedsländer bekommen einen kleinen Zuschuss, geradezu lächerlich angesichts der Probleme. Aber eine koordinierte gemeinsame Strategie gegen die Krise gibt es nicht. Als Frankreich während seiner Ratspräsidentschaft im Dezember 2008 Initiativen in diese Richtung ergriff, wurde es von Deutschland massiv zurückgepfiffen. Ach ja, und ganz nebenbei haben sich die Regierungschefs noch die Aussetzung der Schuldengrenze bei den Konvergenzregeln genehmigt. Renationalisierung ist angesagt. Das ist ungeheuerlich angesichts der bestehenden wirtschaftlichen Integration in der EU.

Paul Krugman, der große Ökonom, sagt im Vorwort zur deutschen Ausgabe seines Buches »Die neue Weltwirtschaftskrise«, dass Europa massive koordinierte Anstrengungen braucht und dass die integrierten Volkswirtschaften Europas mit der Transnationalität der großen Unternehmen keinesfalls in der Lage sind, die Probleme national zu lösen. Er spricht sogar von einem deutschen Problem: »Aus unerfindlichen Gründen scheinen deutsche Spitzenpolitiker das ungeheure Ausmaß der Krise oder die Notwendigkeit einer energischen Reaktion einfach nicht zu begreifen.«

Auch mit den Verhandlungen zu Opel hat sich die deutsche Regierung offensichtlich in eine Sackgasse manövriert. Anstatt sich mit den anderen europäischen Standorten von GM-Betrieben zu koordinieren, geht es ganz allein um die deutsche Traditionsmarke Opel. Inzwischen bieten aber offensichtlich Großbritannien, Spanien und Polen finanzielle Unterstützung dafür an, dass nicht allein Opel geschützt wird, sondern auch ihre GM-Standorte. Ob dies noch nach dem Verkauf von 55 Prozent der Opel-Anteile an den Autozulieferer Magna und Sberbank möglich ist, bleibt offen.

Auf einer ganz anderen Ebene aber halten sie zusammen, die Europäer: bei der UNO-Konferenz zur Weltkrise Ende Juni in New York haben die OECD-Staaten – allen voran USA und EU – verhindert, dass ein paar wirksame Regeln für den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank zur Entlastung der ärmsten Länder der Welt beschlossen werden konnten.

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