Lob der Volkssolidarität

Wahlkampftagebuch: Anrecht auf ein Essen statt Almosen von den Reichen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 2 Min.

Wahlkampfzeit ist auch Prominentenzeit. Wenn Fernsehmoderator Günther Jauch in diesen Tagen in Potsdam ein Zentrum für arme Kinder eröffnet, dann hilft er natürlich denen, die an der Macht sind. In der allgemeinen Begeisterung über die Großzügigkeit des Millionärs ging jedoch das Wichtigste unter. Nämlich, dass hier nicht allein zwei politische Konzepte, sondern zwei Menschenbilder einander gegenüberstehen.

Jauch, seine »Arche« im Ortsteil Drewitz, die SPD-Stadtpolitik und alle übrigen Unterstützter des neuen Zentrums wollen, dass diese Armenspeisung ein Projekt der Gnadenerweisung bleibt. Die hat natürlich immer auch den Effekt, dass die Gutherzigkeit der alleredelsten Spender damit herausgestrichen und ins rechte Licht gerückt wird.

Die Sozialisten hingegen vertreten eine andere Auffassung. Sie wollen, dass die Grundbedürfnisse armer Kinder nicht durch Almosen gestillt werden, die sie sich womöglich noch mit Beten verdienen müssen. Schließlich hieß es zur Eröffnung, an den Mittwochnachmittagen werde es in der »Arche« Kinderfeiern geben – eine Art lebendige Gottesdienste, bei denen auch christliche Lieder gesungen werden. Die Linkspartei findet hingegen, es müsse vielmehr ein eindeutiges und klares Anrecht dieser Kinder auf das Essen und die Betreuung durchgesetzt werden. Auch die Eltern dieser Kinder sollten nicht von der Laune oder dem Charakter jener Menschen abhängen, die auf den Geldsäcken sitzen.

Bei Drewitz handelt es sich um ein Neubaugebiet aus DDR-Tagen. In einem anderen derartigen Potsdamer Wohngebiet – am Schlaatz – eröffnete Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zu Beginn der Legislaturperiode sein Bürgerbüro mit großem Pomp. Mit dem Interesse an den Problemen der dort wohnenden Bürger hat es Platzeck in der Folgezeit aber offenbar nicht übertrieben. Wie der hiesige Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg (LINKE) sagte, hielt Platzeck in fünf Jahren dort nicht eine einzige Sprechstunde ab.

Diesmal bewirbt sich Platzeck nicht in Potsdam um ein Direktmandat für den Landtag, sondern in der Uckermark. Dort tritt er gegen Irene Wolff-Molorciuc (Linkspartei) an. Sie ist Landesvorsitzende der Volkssolidarität und hat den betreffenden Wahlkreis im Jahr 2004 gewonnen. Auffällig daher: Dieser Tage dankte der Ministerpräsident der Volkssolidarität für ihr »großartiges soziales Engagement«. »Ohne ihren Einsatz wäre unsere Gesellschaft nicht nur ärmer, viele Lebensbereiche würden nicht funktionieren«, sagte Platzeck völlig zu Recht aus Anlass des jährlichen Chortreffens der Volkssolidarität.

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