Computer-Kriminalität: Jeder Zweite betroffen
BKA und Branchenverband warnen – und haben kaum Vorschläge für Gegenmaßnahmen zu bieten
»Sehr geehrter Herr ..., gemäß einer internationalen Warnmeldung ist es vermutlich bei einem zurückliegenden Einsatz Ihrer Kreditkarte im Internet zu einem Diebstahl von Kreditkartendaten gekommen. Diese Daten konnten nunmehr im Rahmen von Ermittlungen sichergestellt werden.«
Briefe wie diese werden in Deutschland täglich tausendfach an Bankkunden verschickt. Freundliche Stimmen in Callcentern raten dringend zum kostenlosen Austausch der Kreditkarte. Wer wann bei welchem »Einsatz« der Kreditkarte was »abgezockt« hat, erfährt man nicht.
Laut Bitkom wurde bereits jeder zweite deutsche Internetnutzer Opfer von Kriminalität im weltweiten elektronischen Kommunikationsnetz. Zumeist fängt man sich ein paar garstige Computerviren oder andere schädliche Programme ein. Doch all jene, die im ersten Halbjahr 2009 Opfer von sogenannten Phishing-Fällen wurden, meldeten durchschnittlich einen Schaden von rund 4800 Euro. Im Jahr 2008 hat man 1900 Fälle derartige Fälle gemeldet – insgesamt räumten die Betrüger dabei sieben Millionen Euro von fremden Bankkonten ab.
Nicht nur Bitcom warnt. Auch das Bundeskriminalamt (BKA), das mit dem Branchenverband gestern in Berlin eine gemeinsame Konferenz abhielt, ist besorgt. BKA-Präsident Jörg Zierke betonte, die Täter würden immer professioneller – und hundertprozentige Sicherheit im Netz gebe es nicht. Auch nicht beim Online-Banking – egal, was die Banken versprechen. Jeder, der sich in die elektronische Welt hinaus begebe, müsse darauf achten, dass sein Computer aktuelle Virenschutzprogramme und Firewalls habe. Auch das permanente Wechseln von Passworten sei nicht von Schaden.
Viel helfen können solche 08/15-Hinweise auch nicht. Aber Zierke hat Recht: »Wer im Internet ist, der macht die Tür seines Hauses weit auf und muss aufpassen, dass nicht jemand hereinspaziert kommt, den er nicht gerne haben möchte.« Und damit deutet er auch auf seine Behörde. Und andere, die Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) unterstehen, der Online-Durchsuchungen für notwendig hält.
Die meisten Angriffe auf fremde Computer kommen aus dem Ausland, wissen Experten. Und das funktioniert dann so, wie es auch der Bundesnachrichtendienst (BND) praktiziert. In den vergangenen Jahren, so flüsterten Beteiligte Anfang 2009, seien in mindestens 2500 Fällen Computer, die im Ausland stehen, infiltriert und ausspioniert worden. In weiteren Operationen installierten BND-Leute sogenannte Keylogger, mit denen sie Tastatureingaben und damit Passwörter in Erfahrung brachten. Aufgeflogen war diese Praxis unter anderem, weil der BND mehrere Monate lang den E-Mail-Verkehr des afghanischen Handelsministeriums mitgelesen hatte. Es ist mit Sicherheit nicht die einzige unfreiwillige Quelle gewesen.
Merke: »Mehr denn je müssen sich PC-Nutzer auf dem Laufenden halten, wie sie sich vor Kriminellen schützen können.« Das jedenfalls meinte Bitkom-Präsidiumsmitglied Prof. Dieter Kempf auf der gestrigen Konferenz.
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