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Jähes Ende für ein Kriegs-Casting

Die US-Armee suchte in Kassel Statisten für die Ausbildung ihrer Truppen

  • Michael Schulze v. Glaßer, Kassel
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach einer spektakulären Protestaktion in Kassel musste ein Statisten-Casting für die US-Armee schließlich abgebrochen werden.
Eine Szene wie im Krieg: Friedensaktivisten protestieren vor dem Kasseler Hotel »Grand Hotel La Strada« gegen ein Statisten-Casting der US-Armee.
Eine Szene wie im Krieg: Friedensaktivisten protestieren vor dem Kasseler Hotel »Grand Hotel La Strada« gegen ein Statisten-Casting der US-Armee.

Blutüberströmt brachen am Donnerstag einige Jugendliche vor dem »Grand Hotel La Strada« im nordhessischen Kassel zusammen. Zuvor waren sie von einem bewaffneten Militär über die Straße gejagt worden. Eine Szene wie im Krieg. Zum Glück nur eine Protest-Aktion.

Rund ein Dutzend Friedensaktivisten demonstrierte mit der Aktion gegen ein in dem Hotel stattfindendes Casting. Die »Supply and Service Team GmbH« – kurz SST – suchte arabisch aussehende Menschen, die auch die arabische Sprache beherrschen. Publik machte das Unternehmen das Casting über große Anzeigen in den lokalen Medien. Hohenfels, der von SST in der Anzeige angegebene Arbeitsort, liegt direkt neben einem der größten Militärübungsplätze Deutschlands – Auftraggeber des Castings ist die US-Army.

Arabische Siedlungen

Diese hat auf dem bayerischen Übungsgelände in den letzten Jahren gleich mehrere kleine Siedlungen arabischen Baustils errichtet. Dort üben die US-Soldaten für den Irak- und Afghanistan-Krieg etwa den Häuserkampf und die Erstürmung von Wohnungen. Der Kampf in den Bergen wird mit einem künstlichen Tunnelsystem geübt, die Durchführung von Konvoi-Fahrten auf einem Autobahnteilstück in dem großen Militärareal südöstlich Nürnbergs. Um die Szenarien so realistisch wie möglich zu gestalten, benötigen die Militärs auf ihren Übungsplätzen Statisten – auch um US-Soldaten für den Einsatz in Irak auszubilden.

»Wer für die SST GmbH und somit für die US-Army arbeitet, hilft bei der Führung eines klar völkerrechtswidrigen Kriegs mit«, erklärte der Anmelder der Proteste, Thorsten Endlein. Gemeinsam mit den anderen Demonstranten verteilte er am Donnerstag Flugblätter vor dem Hotel. Die spektakuläre Verfolgungsjagd war der Höhepunkt des Protestes: die Waffen waren Spielzeug-Pistolen, die rote Farbe auf der Straße und auf der Kleidung der Verfolgten nur Theaterblut. Mit der Aktion wollten die Friedensaktivisten vor allem die Teilnehmer des Castings daran erinnern, was sie mit der Arbeit als Statist bei der US-Army unterstützen würden. »In Deutschland üben die Soldaten den Krieg, das Blut wird dann in Irak und in Afghanistan vergossen«, so Endlein. Geld dürfe nicht das ausschlaggebende Kriterium für die Annahme der Statistenrolle sein. Die Aktion dauerte noch nicht lange, da kam eine aufgeregte Mitarbeiterin des »Grand Hotel La Strada« zu den Demonstranten: »Wir haben dem Veranstalter gekündigt«, so die Mitteilung. Die Hotel-Leitung fürchtete wohl einen Image-Verlust. Eine schriftliche Bestätigung wollte die Angestellte aber nicht ausstellen, und so wurde zunächst weiter demonstriert.

Entnervte Veranstalter

Erst als die SST-Mitarbeiter genervt aus dem Hotel kamen und die Friedensaktivisten zur Rede stellten, bestätigte sich der Abbruch der Veranstaltung. Wenig später kamen die ersten Teilnehmer des Castings aus dem Hotel. »Damit haben wir nicht gerechnet«, freute sich Thorsten Endlein. Seines Wissens gab es bisher noch keine Aktion gegen solch ein Casting. Die SST-Mitarbeiter waren über die Aktion natürlich nicht erfreut. Ihrer Meinung nach würden die Statisten zum interkulturellen Training der US-Soldaten beitragen und damit gerade bei der Vermeidung ziviler Opfer helfen. Doch die Teilnehmer des Protestes, der von der Gewerkschaft »Freie ArbeiterInnen Union« und der AG Antimilitarismus, einer Gruppe der Uni Kassel, organisiert wurde, blieben dabei: »Keine Statisten – keine Übungen – keine Kriege!« Auch in Bochum, Wuppertal, Wolfsburg und anderorts hat SST Statisten für die US-Army gesucht.

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