Sie konnte töten

Lucía Puenzo irritiert

  • Fokke Joel
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein irritierendes Buch. Die argentinische Autorin Lucía Puenzo erzählt von Liebe, Gewalt und Sexualität. Sie springt zwischen Traum und Wirklichkeit hin und her, zwischen der Welt der Hunde und der Welt der Menschen. Denn der Erzähler des Romans ist kein Mensch, sondern ein Hund. Er trägt den Namen Serafín, gehört der etwa 16 Jahre alten Lala, ist nicht dumm und meint von sich: »Ich bin schwarz, ein richtiger Kerl, und ziemlich fies.«

Seine Herrin liebt er bedingungslos. Lala ist eine »taffe« Frau und für Serafín eine Art Alpha-Tier. Außerdem ist sie die Tochter des berühmten argentinischen Sachbuchautors Brontë, den Serafín als indifferent und depressiv beschreibt. Nur seine Feigheit, meint er, hält ihn davon ab, sich selbst umzubringen. Lalas Mutter lebt inzwischen mit ihrem neuen Freund in Indien, und ihr Bruder ist kaum ansprechbar, weil er drogenabhängig ist. Und dann ist da noch die schöne Guayi, das 17-jährige Hausmädchen der Familie, in die sich viele verlieben und die sie alle enttäuscht. Auch Lala verliebt sich in Guayi und will in deren Heimatdorf in Paraguay ein neues Leben mit ihr beginnen. Da das Geld dazu fehlt, fängt Lala an, heimlich Bilder der Familie zu verkaufen.

Aber Lala kann sich irgendwie nicht von ihrem Vater lösen. Und weil auch sie glaubt, ihr Vater hätte nur nicht den Mut für einen Selbstmord, füllt sie am Abend vor der Flucht zwei Gläser mit Milch und Zucker. In eines gibt sie Gift. Als sie ihrem Vater die Milch anbietet, weiß sie nicht mehr, welches der Gläser das Gift enthält. Ihr Vater wählt aus, beide trinken. Bereit zu sterben, legt Lala sich schlafen. Am nächsten Morgen ist der Vater tot und ihre Freundin mit dem Geld verschwunden. Lala will nicht glauben, dass Guayi sie verraten hat und fährt mit Serafín in das Dorf nach Paraguay. Dann aber erfährt sie, dass Guayi verhaftet wurde und für den Mord an Lalas Vater im Gefängnis sitzt.

Das alles erzählt Serafín im Ton eines Machos, dabei mit großen Sympathien für seine homosexuelle Herrin. Eine Art aufgeklärter Machismo also. Ein Hund darf außerdem offener erzählen, rücksichtsloser, ehrlicher. Andererseits ist die Gewalt, die durchaus argentinischer Realität entspricht, wie in einem Comic beschrieben: traumhaft und ohne dass die Folgen thematisiert werden. Genau das ist es wiederum, was Guayi an Lala fasziniert: dass sie »in einer Phantasiewelt lebte, in einer Action-Welt und einer Welt der Schlagzeilen, in der es von Schlachten, Prinzen und Drachen nur so wimmelte. Und außerdem konnte sie töten«.

Lucía Puenzo: Das Fischkind. Roman. Aus dem argentinischen Spanisch von Rike Bolte. Wagenbach Verlag, 160 S., geb., 16,90 €.

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