In Washington formieren sich die Abrüstungsgegner

In den USA ist der Kampf um Barack Obamas Vision einer atomwaffenfreien Welt entbrannt / Militärs wollen nicht auf »erweiterte Abschreckung« verzichten

  • Wolfgang Kötter
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Ziel verkündete Barack Obama bereits im Frühjahr in Prag, jetzt stellte sich auch der UN-Sicherheitsrat hinter seine Vision. Aber in den USA formieren sich die Gegner der nuklearen Abrüstung. Nun will der Präsident selbst an den Pentagon-Beratungen über die Formulierung einer neuen Nukleardoktrin teilnehmen, um sicherzustellen, dass sie seinen Vorstellungen zur Schaffung einer atomwaffenfreien Welt entspricht.

»Obamas Abrüstungspläne und die gleichzeitige Diskussion über die Modernisierung des bestehenden Atomwaffenarsenals hängen eng zusammen«, meint Atomwaffenexpertin Xanthe Hall von der Ärzteorganisation gegen den Atomkrieg (IPPNW). »Er kann seine ehrgeizigen Pläne für Verträge mit Russland und einen Atomwaffenteststopp in den USA nur durchsetzen, wenn er gleichzeitig das US-Arsenal für die Zukunft rüstet. Sonst würden die Republikaner die Abrüstung blockieren«, glaubt Hall. Und Joseph Cirincione, Vorsitzender des rüstungskritischen Ploughshares Funds in Washington, weist darauf hin, dass es Obama nicht nur mit der herrschenden Nukleardoktrin, sondern mit einer ganzen Industrie zu tun habe: »In den USA werden pro Jahr 54 Milliarden Dollar für Atomwaffen und damit verbundene Programme ausgegeben. Das sind eine Menge Verträge, eine Menge Jobs und viele Schlachten um die Budgets.«

Zurzeit verfügen die USA über 2600 einsatzfähige nukleare Gefechtsköpfe und eine Reserve von 2500. Weitere 4000 sollen verschrottet werden. Das Pentagon protestiert dagegen und hat den Text der neuen Doktrin entsprechend formuliert. Obama soll den ersten Entwurf als »zu zaghaft« zurückgewiesen haben. Das Konzept bleibt nicht nur hinter seinen Visionen zurück, sondern will sogar eine Blockade gegen weitreichende Reduzierungen errichten. Ein Grundstock von mehreren tausend Nuklearwaffen müsse für die »erweiterte Abschreckung« erhalten bleiben, fordern die Militärs. Sonst verlören die Verbündeten angeblich das Vertrauen in Amerikas Bereitschaft, sie vor einem Angriff zu schützen. Und Länder, die sich bisher unter dem USA-Nuklearschirm sicher fühlen, würden eigene Kernwaffen anstreben. Die gut gemeinte Abrüstung werde dann in Aufrüstung umschlagen, so die verquaste Dialektik der Rüstungslobbyisten.

Verteidigungsminister Robert Gates erklärt, es sei wichtig, weiterhin in die Modernisierung der atomaren Infrastruktur zu investieren, um Ressourcen für eine längere Funktionstüchtigkeit zu erhalten. Der Kongress hatte das »Reliable Replacement Warhead-Program« (zuverlässige Ersatz-Atomsprengköpfe) zwar bereits gestrichen, aber plötzlich ist es mit neuem Etikett wieder da. Die geplante Modernisierung wird jetzt unter dem Begriff »Life Extension Program« (Betriebszeitverlängerung) vorangetrieben und gibt vor, Atomwaffen schaffen zu können, die sicherer und verlässlicher seien. Momentan berät der Senatsausschuss für Energie und Wasser über die Modernisierung der ältesten Bombe des Arsenals, der B-61. Das sei der Atomwaffentyp, warnt IPPNW, der auch in Deutschland gelagert wird. Gates behauptet, eine neue Generation von Sprengköpfen müsse erprobt werden, da nur so die Einsatzbereitschaft der US-Atomwaffen garantiert bleibe. Erst dann seien ein Abbau der Arsenale und das dauerhafte Verbot von Atomtests denkbar.

Sollte dies offizielle Politik der USA werden, wäre es ein schlechtes Signal für die Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag im Mai 2010. Der Vertrag bildet nach wie vor eine Brandmauer gegen die Atomwaffenausbreitung. Nicht nur mit Nordkoreas Ausstieg und Irans Nuklearprogramm, sondern vor allem durch die Verweigerung der Abrüstung durch die Atommächte ist sein Fundament brüchig geworden.

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