Rechtsprechung: Unterhalt nach der Scheidung wird zur Ausnahme

Notarkammern

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Wer sich heute scheiden lässt kann nicht mehr davon ausgehen, dass er lebenslang Unterhalt erhält. Durch das 2008 in Kraft getretene Unterhaltsrecht sind Ehepartner im Fall des Scheiterns der Ehe stärker für die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts verantwortlich als zuvor.

Früher erhielten die Ehepartner, die die Kinder betreuten, Unterhalt und mussten bis zum achten Lebensjahr der Kinder keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Erst vom achten bis zum 15. Lebensjahr wurde von den Ex-Ehepartnern eine Teilzeittätigkeit zur Finanzierung des eigenen Unterhalts erwartet. Mit dem 15. Lebensjahr der zu betreuenden Kinder konnte schließlich eine Vollzeittätigkeit zur Finanzierung des Lebensunterhalts zugemutet werden.

Seit 2008 bestehen Unterhaltsansprüche wegen der Betreuung von Kindern in der Regel nur noch bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des jüngsten Kindes. Nach dieser Zeit muss der Ehegatte, der Unterhalt wegen Kindesbetreuung verlangt, darlegen, weshalb er keiner oder nur einer beschränkten Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Betroffene sollten unbedingt einen Notar aufsuchen, der sie berät, nach welchen Kriterien Unterhalt gezahlt wird. Ob jemand Unterhalt erhält, ist auch abhängig davon, welche Betreuungsmöglichkeiten für das Kind bestehen. Teilweise wird eine Beschäftigung, sei es Teilzeit oder Vollzeit, bei Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter als zumutbar angesehen, wenn sich die Kinder ganztägig in der Schule oder im Hort aufhalten können. Damit hat der Gesetzgeber den Grundsatz der Eigenbetreuung von Kindern aufgegeben und die Fremdbetreuung der Eigenbetreuung gleichgestellt, wenn sie qualifiziert und angemessen ist.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 18.3.2009 eine Kammergerichtsentscheidung (Berlin) aufgehoben, nach der ein geschiedener Vater für die Mutter und einen siebenjährigen Sohn 830 Euro monatlichen Unterhalt zahlen sollte. Das Paar war sechs Jahre verheiratet. Die Mutter arbeitet heute auf einer 70-Prozent-Stelle und betreut den an Asthma leidenden Sohn, der bis 16 Uhr in einem Hort untergebracht ist. Der Bundesgerichtshof hat den Rechtsstreit an das Kammergericht Berlin zurück verwiesen. Es ist nach der neuen Rechtslage Aufgabe des Kammergerichts, im Einzelnen zu ermitteln, ob und in welchem Umfang der Kindesmutter eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist.

Wie lange der Unterhalt gezahlt wird, ist davon abhängig, ob der Ehepartner fortwirkende ehebedingte Nachteile erlitten hat. Das kann z. B. dann der Fall sein, wenn er durch die Kindererziehung in seiner beruflichen Weiterentwicklung benachteiligt wurde. Geprüft wird hier, wie der berufliche Werdegang ohne die Ehe und ohne die gemeinsamen Kinder verlaufen wäre. Hierzu ist der Ehegatte, der Unterhalt verlangt, aufgefordert, anzugeben, bis wann der ehebedingte Nachteil aufgeholt sein wird und die ursprünglich geplante Karriere fortgesetzt werden kann.

Liegt kein ehebedingter Nachteil vor, weil der Ehegatte, der Unterhalt verlangt, z. B. in dem Beruf Vollzeit erwerbstätig ist, den er erlernt hat und dort soviel verdient, wie er auch verdienen würde ohne Ehe und Kinder, können auch Unterhaltsansprüche bei Ehen von langer Dauer befristet werden.

So hat das Oberlandesgericht Koblenz in einem Fall entschieden, dass trotz 25-jähriger Ehedauer der Anspruch der Unterhaltsberechtigten befristet wird, obwohl die Unterhaltsberechtigte zwölf Jahre lang nicht arbeitete und beide Kinder betreute. In einem anderen Fall dagegen wurde der Unterhalt vom Oberlandesgericht Nürnberg auch nach 27-jähriger Ehe nicht befristet, da die Unterhaltsberechtigte während der Ehezeit nur sehr eingeschränkt erwerbstätig war und aufgrund ihres Alters sowie der Erwerbsbiographie auch zukünftig nur eine Teilzeitstelle ausüben konnte.

Der Lebensstandard, der dem Unterhaltsberechtigten im Hinblick auf sein Alter und die Dauer der Ehe zuzumuten ist, wird individuell geprüft und angeglichen. Abschätzen, wie sich das neue Unterhaltsrecht auf den Einzelfall auswirkt, kann nur ein Spezialist.

Das neue Unterhaltsrecht hat für viele Ehemänner den Vorteil, dass kein Automatismus mehr im Unterhaltsrecht vorliegt, und jeder Einzelfall geprüft wird. Viele geschiedene Ehefrauen, die nicht mehr durch Kinderbetreuung an der Erwerbstätigkeit gehindert sind, laufen Gefahr, bald keinen oder weniger Unterhalt zu erhalten. Sowohl für Unterhaltspflichtige wie auch für Unterhaltsberechtigte ist es besonders wichtig, sich rechtzeitig beraten zu lassen.

Internet:
www.deutsche-notarauskunft.de

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