Radikales Kammerspiel auf Leinwand

Britisch-irisches Filmfestival »britspotting« begeht 10-Jähriges

  • Kira Taszman
  • Lesedauer: 3 Min.

Diplomatie ist bekanntlich die Kunst der Unverbindlichkeit. Wenn sich jedoch ein Politiker in einer geopolitisch brisanten Situation verbal verheddert, kann er damit auch einen Krieg auslösen. Dieser Problematik widmet sich auf vergnügliche Weise die Politsatire »In The Loop«. Mit Tempo, ätzendem Witz und einem kritischen Blick auf transatlantische diplomatische Mauscheleien spielt sie auf die Entstehung jüngerer globaler Krisensituationen wie den Irak-Krieg an. Die schwarze Komödie ist der Eröffnungsfilm der Filmreihe »britspotting«, dem Festival des unabhängigen britischen und irischen Films, das in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiert.

Sechs experimentierfreudige Kurzfilmreihen gehören ebenso zum Programm wie 20 Spiel- und Dokumentarfilme. Darin behandeln die Filmemacher auch unpopuläre Themen, begeben sich in soziale Brennpunkte und finden filmische Ansätze jenseits von herkömmlichen Sehgewohnheiten.

Um sehr junge Möchtegern-Idole beim Eurovision Song Contest für Kinder geht es in der Deutschland-Premiere »Sounds Like Teen Spirit«. Die Dokumentation begleitet die Junior-Qualifikanten aus Ländern wie Zypern oder Bulgarien im Alltag und beim Finale. Stellung zur Vermarktung der Nachwuchstalente mag die Regisseurin Jamie Jay Johnson aber nicht beziehen. Stattdessen ergeht sie sich in einer diffusen Bewunderung kindlicher Musik-Begeisterung, die freilich nicht zwischen Traum und Realität unterscheiden kann.

In »The Last Thakur« erzählt der britische Filmemacher Sadik Ahmed von einem bewaffneten Fremden, der zwischen zwei verfeindeten Bewohnern eines Dorfes in Bangladesch eine eigene Vendetta verfolgt. Mit seinen langen Einstellungen und den Verlangsamungseffekten erinnert das Opus an Italo-Western. Dennoch kaschieren seine ästhetischen Bilder nicht eine recht banale Story.

Vor allem atmosphärisch überzeugt dagegen »Shifty«, die Geschichte eines jungen Londoner Drogendealers. Dessen Wiedersehen mit einem alten Freund führt zur Klärung einer schmerzlichen Erinnerung. Dem Regisseur gelingt eine realistische und spannende Milieustudie, die Fragen nach Moral ohne moralischen Zeigefinger verhandelt. In seiner formalen Radikalität überrascht das Kammerspiel »The Hide«. Dort begegnen sich in einer Vogelbeobachtungshütte zwei Männer mit undurchsichtiger Vergangenheit. In dem klaustrophobischen Thriller wird mit der Wahrnehmung des Zuschauers gespielt. Vorurteile, die der Zuschauer aufgrund von Äußerlichkeiten auf die beiden Helden projiziert, werden ad absurdum geführt, Sympathien neu verteilt.

Von Projektionen und unerfüllten Teenager-Träumen handelt der Lindy Heymanns »Kicks«. Dort werden zwei junge Mädchen zu Stalkerinnen, indem sie ihren Lieblings-Fußballer entführen. Der Spielfilm verurteilt seine Protagonistinnen nicht und entlarvt dennoch eine Gesellschaft ohne echte Werte, die völlig überforderte Idole produziert.

»Britspotting« vom 13. bis 18.11. im Babylon Mitte und im »Downstairskino« des »Filmcafé«, Prenzlauer Berg. Filme im Original, OmU oder OmenglU. Weitere Infos unter: www.britspotting.de
(Der Film »Kicks« ist im Berliner Filmprogramm nicht enthalten.)

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