Ärger und Enttäuschung bei Rot-Rot

Nach geplatzter Nachfolge für Präsidenten des Rechnungshofes muss Senat neuen Anlauf nehmen

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Gelegenheit gleich mal so richtig beim roten Schopfe packen wollte gestern der Landesvorsitzende des Wirtschaftsrates e. V. der CDU. Nur eine Große Koalition könne Berlin jetzt noch bis zum Ende der Legislatur helfen, erklärte der Vorsitzende des Vereins der Unternehmer und Führungskräfte, Claus-Peter Martens. Allerdings räumte selbst er vorsorglich ein, dies sei »auch nicht die Ideallösung«.

Ausschließlich darin dürfte er auch auf Zustimmung bei SPD und Linkspartei treffen. Am Tag nach der geplatzten Abstimmung über ein neues Haupt des Landesrechnungshofes herrschten in der Koalition nach Angaben ihrer Sprecher durchaus Ärger (SPD) und Enttäuschung (LINKE). Doch nicht zu vernehmen war, dass an eine Aufgabe des rot-roten Bundes überhaupt nur gedacht werde. Schmerzhaft blieb es freilich doch, dass die von der SPD favorisierte und der Koalition präsentierte Kandidatin Hella Dunger-Löper die Mehrheit im Abgeordnetenhaus verpasste, weil zwei Koalitionsstimmen fehlten.

Eine Ohrfeige für die Koalition und sich selbst erkannte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Linksfraktionschef Udo Wolf brachte das Wort »Krise« in die Debatte. Er war als neuer Fraktionsvorsitzender in seiner ersten wichtigen Abstimmung besonders hart getroffen. Einen »herben Rückschlag« quittierte sein sozialdemokratischer Amtskollege und Landeschef Michael Müller für die Koalition zürnend. Darin gebe es »U-Boote«. In der Fraktionssitzung werde geschwiegen, dann jedoch »hintenrum« abgestimmt.

Dem unglücklichen Ende der Kandidatur war zu allem Überfluss auch noch vorausgegangen, dass die Opposition politische Attacken gegen Dunger-Löper geritten hatte. Diese hätte im Rechnungshof, so der Vorwurf, ihre eigene Arbeit als Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kontrollieren können.

Einen »akzeptablen Personalvorschlag, der von einer breiten Mehrheit des Parlaments getragen« werden könne, fordert nunmehr CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzender Frank Henkel. FDP-Fraktionschef Christoph Meyer wird auf der Forderung nach einer mindestens fünfjährigen Karenzzeit für Senatoren, Staatssekretäre und leitende Beamte im Land Berlin für solche Ämter beharren.

Eine »Verständigung« über eine gemeinsame KandidatIn« boten Ramona Pop und Volker Ratzmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen, an. Die Regierungsfraktionen müssten endlich einsehen, dass es notwendig sei, »vor so wichtigen Entscheidungen mit den Oppositionsfraktionen zu kommunizieren«. Es sei nicht ungewöhnlich, wenn mit der Opposition über solche Fragen gesprochen werde, meinte die Sprecherin der Linksfraktion, Kathi Seefeld.

In jedem Falle liegt die schwierige Personalie nun erst einmal wieder beim Senat. Dort hatten sich im ersten Anlauf einige Dutzend Interessenten beworben, deren Akten dürften noch nicht so weit weg liegen. In den nächsten Tagen will das Rote Rathaus klären, wie es mit dem wichtigen Kontrollgremium weitergehen kann. Immerhin ist das Amt des Präsidenten des Rechnungshofes wegen des Ruhestandes des Vorgängers bereits verwaist.

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