Wiederauferstehung des Meisters

BOXEN: Ist der 1. BC Magdeburg wirklich zu retten? / Der Rückzug vom Rückzug aus der 1. Bundesliga / Förderverein entschied im Alleingang

Magdeburg und Boxen - das ruft sofort Sven Ottke in Erinnerung. Der 34-jährige Profi, der die Magdeburger Bördelandhalle sein »Wohnzimmer« nennt, stieg eben dort gleich zu sechs Kämpfen seiner 13 WM-Titelverteidigungen in den Ring - und verließ ihn von den Fans aus dem Osten fast schon überschäumend gefeiert stets als Sieger.
Der gebürtige Spandauer kehrt am 7. September wieder nach Magdeburg zurück - wenn alles glatt geht mit der nächsten WM-Titelverteidigung am 1. Juni in Nürnberg gegen Thomas Tate (USA). Jedenfalls hat der Kölner Sauerland-Boxstall die Bördelandhalle zum Dezember-Termin schon gemietet. Hier käme es dann womöglich zum so genannten Vereinigungskampf im Supermittelgewicht zwischen dem IBF-Champion Ottke und WBA-Weltmeister Byron Mitchell (USA).

Der Vorwurf: eine voreilige und einsame Entscheidung
Magdeburg und Boxen - das ist aber auch und nicht zuletzt der 1. BC Magdeburg. Das Team um den Box-Enthusiasten Walter Cybinski war 1999 und 2000 deutscher Mannschaftsmeister und im vorigen Jahr Vizemeister geworden. Der mehr als 100 Mitglieder zählende Verein ist aus dem Magdeburger SV 90 hervorgegangen, der 1994 in der Oberliga Fuß fasste und 1997 den Aufstieg von der 2. in die 1. Bundesliga schaffte. Mit dem damaligen Aufstieg wurde schließlich die Abteilung 1. BC Magdeburg im MSV gegründet. Die eigentlichen Wurzeln des MSV liegen übrigens in der BSG Motor Mitte Magdeburg.
Doch der inzwischen selbstständige 1. BC Magdeburg schien diese Bundesliga-
saison nicht zu überleben. Finanziell so ziemlich am Ende, wurde Ende Februar die Nachricht verbreitet: Der 1. BC Magdeburg zieht sich aus Finanzgründen aus der 1. Bundesliga zurück. Eine - wie sich in der Folgezeit zeigen sollte - voreilige Hiobsbotschaft. Der Vorwurf der eigentlichen Macher in der Magdeburger Boxszene: Der Förderverein habe ohne Ab- und Rücksprache mit der Boxabteilung diese Entscheidung im Alleingang getroffen und den Ausstieg dem Ligabüro des Deutschen Boxsportverbandes mitgeteilt. Daraufhin traten die Magdeburger aus »finanziellen Gründen«, wie damals verlautbarte, auch nicht beim TSV Bayer Leverkusen an.
Die ebenso voreilige wie einsame Entscheidung des Fördervereins löste heftige Reaktionen bei den Magdeburgern aus. Werner Scheil, inzwischen als neuer Abteilungsleiter fungierend, reagierte trotzig: »Ein so unrühmliches Ende darf es ganz einfach nicht geben.« Kurzerhand wurde der bisherige Abteilungsleiter Jürgen Marschner wegen »vereinsschädigenden Verhaltens« von seinem Amt entbunden. Nun droht Marschner, sich rechtliche Schritte dagegen vorzubehalten.
Der vom Förderverein im Januar »wegen Erfolglosigkeit« als Cheftrainer entlassene 54-jährige Walter Cybinski - schon zu DDR-Zeiten im Magdeburger Boxsport der »Vater des Geschäfts« - und der neue Abteilungsleiter Werner Scheil machten sich im März daran, den Laden beim Bundesliga-Tabellenletzten wieder in Ordnung zu bringen. Dazu gehört auch die beabsichtigte Trennung vom bisherigen Förderverein unter Präsident Carsten Decker, der erwartungsgemäß zurückschlägt: »Hier wird künstlich etwas am Leben erhalten, was dem Tod geweiht ist«, kritisiert der 34-Jährige die neue Strategie und verteidigt damit zugleich die frühere Entscheidung, die Mannschaft aus der 1. Bundesliga zurückzuziehen.

Teils neu formierte Staffel und neue Sponsorensuche
Scheil und Cybinski, der neuerdings als Mannschaftsleiter tätig ist, haben es inzwischen geschafft, eine teils neu formierte Staffel unter dem bisherigen Co-Trainer Helmut Woge zusammenzustellen. Auch ist es ihnen gelungen, etliche Sponsoren zu gewinnen, die die Wiederauferstehung des 1. BC Magdeburg unterstützen.
Ist der zweifache deutsche Mannschaftsmeister damit überm Berg und gerettet? In Magdeburg ist man da vorsichtig-optimistisch. Man will auf jeden Fall das Liga-Startrecht nicht aufgeben und eine Vereinssperre vermeiden. Aber klar ist allen am Neuanfang Beteiligten, dass man noch längst nicht überm Berg ist.
Da geeigneter eigener Nachwuchs für die in neun Gewichtsklassen boxende Staffel nicht zur Verfügung steht, hatten die Magdeburger etliche, natürlich auch kostspielige »Gastboxer« verpflichtet. Ein Problem, das übrigens nicht nur in Magdeburg grassiert. Bekanntlich hatte sich vor Saisonstart der deutsche Rekordmeister Schweriner SC - einst als SC Traktor Schwerin die Hochburg im Weltklasse verkörpernden DDR-Amateurboxen - aus der Erstklassigkeit zurückgezogen, weil er keine Staffel mit neun Faustkämpfern zusammenbekam und sich die Verpflichtung von ausländischen Boxern weder leisten konnte noch wollte. Ob der 1. BC Magdeburg unter dem noch anhaltenden finanziellen Druck und unter diesen Umständen überlebt, ist also völlig offen.
Sportlich gesehen liegt der 1. BC Magdeburg zwar auf dem sechsten und damit letzten Tabellenplatz, aber das ist insofern belanglos, weil es faktisch keinen Absteiger gibt. »Angesichts von nur sechs Mannschaften ist der DBV froh, wenn sich auf die Ausschreibung für die neue Saison sieben, acht oder mehr Klubs melden würden - darunter hoffentlich auch der 1. BC Magdeburg«, macht DBV-Sportwart Alexander Mazur klar und fügt hinzu: »Das ist auch der Grund, warum die zuständige Ligakommission nicht prompt auf den Rückzug der Magdeburger mit Sanktionen reagiert und erst einmal die dortige weitere Entwicklung abgewartet hat.«

Erst ein Sieg - am Freitag Revanche gegen Eichstädt
Die Magdeburger waren nach sechs Niederlagen in Serie (13:14 gegen Leverkusen, 11:15 in Schwedt, 12:15 gegen Halle, 12:15 in Eichstädt, 13:14 gegen Hertha BSC und 0:18 kampflos gegen Leverkusen) ausgerechnet in der kritischen Phase der Wiederauferstehung Ende März beim 14:13 zu Hause gegen den UBV Schwedt zum ersten Saisonsieg gekommen. Zuletzt gab es beim Spitzenreiter Boxteam Halle eine klare 8:17-Niederlage. Nunmehr steigen die Amateure des 1. BC Magdeburg am Freitagabend zum letzten Bundesliga-Heimkampf gegen den BC Eichstädt in den Ring, wo sie sich für die 12:15-Hinrunden-Niederlage revanchieren wollen. Am Saisonschlusstag (27. April) ist auswärts Boxring Hertha BSC der Gegner.
Übrigens könnte sich der Kampf um den deutschen Meistertitel schon an diesem Wochenende im Topduell des Tabellenzweiten Bayer Leverkusen kontra BT Halle entscheiden - beide trennt ein Punkt....

Tabellenstand zwei Runden vor Schluss

1. Boxteam Halle  13:3
2. TSV Bayer Leverkusen  12:4
3. Boxring Hertha BSC  9:7
4. BC Eichstädt  7:9
5. UBV Schwedt  5:11
6. 1. BC Magdeburg  2:14

9. Kampftag (19./20. April): Magdeburg - Eichstädt, Schwedt - Berlin, Leverkusen - Halle. 10. Kampftag (27. April): Berlin - Magdeburg, Eichstädt - Leverkusen, Halle - Schwedt.

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