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Ohne Stimme am Kompetenzloch

Konferenz war von Protest begleitet – Studierende fordern mehr Selbstverwaltung / Die protestierenden Studenten wollen die Rektoren nicht mehr allein sprechen lassen

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.
Heute stellt die Hochschulrektorenkonferenz noch einmal Ergebnisse ihrer Leipziger Beratungen vor. Dort erntete das Gremium gestern Proteste von Studenten, die der HRK nicht länger die Deutungshoheit über die Lage der Universitäten überlassen wollen.

Für Bewegung hatten die Studenten schon gesorgt, bevor ihre Demonstration gestern um 13 Uhr in Leipzig überhaupt begonnen hatte. Rektoren und Vertreter von 256 deutschen Hochschulen, die zur zweitägigen Versammlung der Hochschulrektorenkonferenz in die Stadt gekommen waren, mussten umziehen: Der geplante Tagungsort, das Rektorat der Uni Leipzig, war besetzt worden; die HRK musste in das städtische Neue Rathaus ausweichen. Dort gab es am Nachmittag eine kurzfristig anberaumte Pressekonferenz zu Ergebnissen der Tagung; ursprünglich sollten diese erst heute in Berlin mitgeteilt werden. Und sogar die Tagesordnung wurde in Auszügen veröffentlicht.

Abschaffung der Studiengebühren verlangt

Der Groll der Studenten auf das Gremium wurde dadurch freilich nicht gemildert. Diese wollten mit der Demonstration, zu der neben Leipziger Studenten auch mindestens 1300 Teilnehmer aus Dresden und Halle, Bayern und Berlin erwartet wurden, erneut gegen die aus ihrer Sicht misslungene Studienreform protestieren, die zu einer Verschulung des Studiums und hohem Prüfungsdruck geführt, die Ausstattung der Unis aber nicht verbessert hat. Der Zorn richtet sich aber ebenso gegen den Stil, in dem die Reform durchgesetzt wurde – »völlig ohne studentische Beteiligung, obwohl grundlegende Fragen der Hochschulpolitik betroffen sind«, schimpft Dorothee Riese, Sprecherin der KSS, in der die sächsischen Studentenvertretungen zusammenarbeiten.

Beteiligt wurde an der Umsetzung des Bologna-Prozesses dagegen die HRK. Diese verstehe sich »als die selbst ernannte Stimme der Hochschulen«, sagt Riese – zu Unrecht, wie die Studentensprecherin hinzufügt. Das Gremium sei nicht durch eine demokratische Wahl legitimiert; Studenten sowie viele Dozenten an den Unis hätten keinerlei Mitspracherechte.

Trotzdem ist die HSK eine mächtige Lobbygruppe – die üppig ausgestattet werde, wie die Studenten kritisieren. Nach deren Angaben erhält die HRK allein vom Bund jedes Jahr Zuweisungen in Höhe von 1,6 Millionen Euro; das Studierendenwerk dagegen müsse sich mit 0,3 Millionen begnügen. Die Hochschulen in Sachsen sowie der Freistaat überwiesen der Rektorenkonferenz nach Angaben des Leipziger StuRa im Jahr 102 678,17 Euro. Auf einem Handzettel für die Demonstranten wurde süffisant vorgerechnet, dass allein eine Mitgliederversammlung wie jetzt in Leipzig 30 000 Euro koste und die HRK im letzten Jahr exakt 64 Pressemitteilungen veröffentlicht habe. Die Positionen, die dabei vertreten wurden, sind vielfach nicht die der Studierenden, ohne die – wie diese anmerken – die Universitäten indes gar keine Daseinsberechtigung hätten. Zentraler Streitpunkt sind die Studiengebühren. Die HRK habe sich bereits 2004 für eine Campus-Maut ausgesprochen – ein Jahr, bevor deren bundesweites Verbot 2005 aufgehoben worden sei, betont Christina Schrandt, Geschäftsführerin des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS). Derweil träten 72 Prozent der Studenten für die Abschaffung der Gebühren fürs Studium ein, weil diese »selektiv sind und vom Studium abschrecken«, wie Schrandt betont. Sie verweist auf Untersuchungen, denen zufolge immer mehr Abiturienten wegen der Gebühren kein Studium aufnehmen oder in den Osten gehen, wo es bislang keine Gebühren gibt.

Solche Positionen der HRK, aber auch deren Beteiligung am Centrum für Hochschulentwicklung, das vor allem durch fragwürdige Uni-Rankings bekannt ist und nach Ansicht des Leipziger Studentenrats ein »neoliberaler Think-Tank« ist, schüren bei Studenten den Ärger über das Gremium und dessen angemaßte Deutungshoheit in hochschulpolitischen Fragen. Sie verlangen, wie Riese formuliert, eine »allgemeine Demokratisierung der Hochschulpolitik«, weshalb das Motto der gestrigen Demonstration »Keine Stimme ohne uns« lautete. Die Beteiligung der Studenten ist nach Ansicht der KSS-Sprecherin besonders notwendig, weil der Bologna-Prozess in Deutschland in der Sackgasse steckt: Nach Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge gebe es allgemeine Unzufriedenheit; Politik und Hochschulen schöben sich die Verantwortung gegenseitig zu: Es gebe, sagt Riese, »ein Kompetenzloch«. In der notwendigen breiten Debatte sei die Rektorenkonferenz »ein Akteur – aber eben einer von vielen«.

Zögerliche Annäherung vorerst gescheitert

Konzepte für eine demokratischere Hochschulstruktur präsentierten die Studenten zumindest gestern nicht. Man habe »ein Alternativmodell nicht ausgearbeitet«, räumt Riese ein und merkte in Richtung HRK an, es sei sogar »legitim«, wenn sich Gruppen zusammenschließen – nur sei die der Rektoren »zu einflussreich«. Nötig sei eine Beteiligung aller Hochschulgruppen: »Die Frage ist, wie man das praktisch umsetzt.«

In Leipzig sind zögerliche Versuche der Annäherung vorerst gescheitert. Die HRK hatte zwei Studentenvertreter zu einer Debatte über Bologna eingeladen, aber zunächst nur über die Medien; Genaueres habe man auch am Telefon nicht erfahren können und sich daher entschieden, die Einladung auszuschlagen, sagt Ulrike Nack vom StuRa Leipzig. Umgekehrt hatten die Studenten bis gestern Mittag keine Reaktion der HRK auf ein Angebot, bei der Abschlusskundgebung der Demonstration an einem »offenen Mikrofon« eigene Positionen zu vertreten. Diese wurden bei der spontan angesetzten Pressekonferenz kundgetan – im Neuen Rathaus, das nach Ansicht von Beobachtern auch deshalb als Tagungsort gewählt wurde, weil es sich gegen grollende Studenten abriegeln lässt.

In der Kritik an der Hochschulreform, das hatte sich bereits zeitig angedeutet, stimmten die Rektoren den Studenten zu. Dass die Probleme auch an unzureichender Demokratie in den Unis begründet sind, stritt HRK-Präsidentin Margret Wintermantel jedoch vehement ab: Die Behauptung, betonte sie in einem Radiointerview, sei »barer Unfug«.

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