FDP-Mann in rechter Datei

Greifswalder Landespolitiker bestreitet Kontakt zu »Thor Steinar«

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Hacker haben die Kundendateien der bei Rechtsradikalen beliebten Kleidermarke »Thor Steinar« ausgelesen. Darin findet sich auch Sebastian Ratjen, gesundheitspolitischer Sprecher der mecklenburg-vorpommerschen FDP-Landtagsfraktion.
Kaum ein »Thor Steinar«-Laden konnte ohne Protest öffnen – hier in Berlin-Friedrichshain.
Kaum ein »Thor Steinar«-Laden konnte ohne Protest öffnen – hier in Berlin-Friedrichshain.

Sebastian Ratjen, Zahnarzt und FDP-Landespolitiker im Nordosten, hat viel zu erklären. Es geht nicht um die Themen, über die er gerne sprechen würde, etwa um sein Engagement für die Beibehaltung des Namenspatrons Ernst-Moritz Arndt an der Greifswalder Uni, für die er als Chef des Fördervereins streitet. Es geht um die Frage, wo Ratjen seine T-Shirts und Unterhosen kauft, was er unter seinen Anzügen oder in seiner Freizeit trägt. Denn sein Name ist in einer Kundendatei der bei Rechtsradikalen beliebten Kleidermarke »Thor Steinar« aufgetaucht.

Schon im Frühjahr 2009 wollen Hacker aus dem Umfeld des »Chaos Computer Club« (CCC) im Internet die Kundendateien von »Thor Steinar« ausgelesen haben, veröffentlicht wurden sie zum Jahreswechsel während des CCC-Jahreskongresses in Berlin. Knapp 55 000 Datensätze landeten im Netz, wurden dort verbreitet und ausgewertet. Auf der linken Internetplattform Indymedia kann man etwa eine Karte der regionalen Verteilung von Thor-Steinar-Fans in der Republik bewundern, die erwartbare Ergebnisse zeigt: Besonders beliebt ist die in Königs Wusterhausen bei Berlin beheimatete Marke in Ostdeutschland. Wer sich dafür interessiert, kann jetzt auch wissen, dass der Onlineshop von »Thor Steinar« 2006 einen Umsatz von knapp einer halben Million Euro erzielte, der 2007 auf über 1,8 Millionen sprang – um 2008 wieder auf knapp 1,3 Millionen zu schrumpfen. Zudem knackten die Hacker eine Internet-Flirtbörse, die von rechtsradikalen Einsamen Herzen besucht wird.

Während unter den CCC-Leuten nach dem »Thor Steinar«-Hack eine Diskussion darüber einsetzt, ob eine solche Veröffentlichung privater Daten aus politischen Gründen sich mit den Grundideen der für den Datenschutz streitenden Organisation in Übereinstimmung bringen lässt, machte sich in Greifswald der Blogger Jockel Schmidt vom »Fleischervorstadtblog« an die genauere Auswertung – wobei ihm Ratjens Adresse auffiel. Schmidt ging mit seinen Erkenntnissen an die Öffentlichkeit, was in der Boddenstadt zu einem Kleinkrieg via Internet führte; ein Redakteur der Lokalausgabe der »Ostseezeitung« griff den Blogger hart an, weil er Ratjen keine Möglichkeit gegeben habe, sich zu dem Datenfund zu äußern. Das Lokalblatt beeilte sich denn auch, in der Mittwochausgabe das Dementi nachzuliefern: Nie habe er etwas bei »Thor Steinar« gekauft; wie seine Daten in die Datei gelangt seien, könne er sich nicht erklären.

Allerdings ist es nicht das erste Mal, dass FDP-Politiker Ratjen im Zusammenhang mit »Thor Steinar« Schlagzeilen macht. Als vor zwei Jahren eine Greifswalder Einzelhändlerin, die »Thor Steinar«-Produkte vertrieb, öffentlich in die Kritik geriet, hatte sich Ratjen mit ihr solidarisiert und sogar öffentlich angekündigt, sich eine Jacke der umstrittenen Marke kaufen zu wollen. Später hatte er von der missverständlichen Position Abstand genommen. Nun vermutet er, von Dritten in die Thor-Steinar-Datei eingetragen worden zu sein.

»Thor Steinar« will die Hacker jetzt juristisch verfolgen. Dazu müsste man sie allerdings erst einmal finden.

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