Mit sieben schwulen Zwergen

»Pink Grimm« ist das Extravagante in der Märchenhütte

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.
Märchen-Transen am Rande des Nervenzusammenbruchs
Märchen-Transen am Rande des Nervenzusammenbruchs

Weibsen im Widerstreit – eine bessere Vorlage gibt es für Männer in Frauenkleidern auf der Bühne kaum. So kann die Auswahl der beiden Märchen »Schneewittchen« und »Frau Holle« passender nicht sein. Roger Jahnke und Andreas Köhler – auch sonst bei dem bereits 20 Märchen umfassenden Repertoire des Hexenkessel-Hoftheaters im Spiel – zeigen sie als »Pink-Grimm«-Gastspiel donnerstags in der Märchenhütte im Monbijoupark.

Da wird Schneewittchen mit »Hallöchen!« bei den kleinen Männern hinter den sieben Bergen begrüßt. Und niemand fragt, wer aus seinem Becherchen getrunken habe, sondern eher »Wer hat mein Mauerfall-Auslese-Rotkäppchen ausgesoffen«. Bei dieser Märchenversion mit Jahnke als eitle Stiefmutter und Köhler als Schneewittchen werden finstere Hintergedanken von Märchenforschern darüber, was wohl das Mädchen mit den Männern im Walde so trieb, ad absurdum geführt. Hier ist die Antwort: Gar nix! Es geht um sieben schwule Zwerge, die mit sich zu tun haben. Sicherer als bei ihnen konnte das schöne Kind gar nicht aufgehoben sein.

Die beiden Schauspieler halten sich dabei textlich an die sonst von Rebekka Köbernick und Marlies Ludwig amüsant gespielte Version. Bei »Frau Holle« – für gewöhnlich mit Rebekka Köbernick und Ina Gercke ein Vergnügen – können die zwei Männer die charakterlichen Gegensätze der so unangenehm perfekten Goldmarie (Köhler) und der durchgeknallten Punker-Pechmarie (Jahnke) noch verstärken. Zum Ende rutscht das Stück allerdings etwas zur Travestie, wie sie anderswo auch zu sehen sein kann. Hier erwartet man mehr. Auf jeden Fall jedoch passt das witzige Männer-Programm gut in die Monbijoupark-Winterlandschaft. Das ist nun das Extravagante zusätzlich zu den Märcheninszenierungen des Hexenkessel-Hoftheaters, von denen pro Vorstellung vormittags und nachmittags für Kinder ab vier Jahren und abends für Erwachsene immer zwei gezeigt werden.

Das Besondere indes sind die Gruselversionen freitags und samstags um 23 Uhr. Märchen, wie sie von den Brüdern Grimm auf Papier gebracht wurden, können durchaus bei den Vorstellungen ab 18 Jahren für Gänsehaut sorgen. »Machandelbaum« beispielsweise wird nahezu erschütternd von Claudia Graue und Vlad Chiriac gespielt. Graue verkörpert ansonsten – um im Märchenbild zu bleiben – zumeist die Liebreizende. Chiriac kann man in der Märchenhütte als nassforsches tapferes Schneiderlein mit Kölner Dialekt über die Bühne springen sehen. Oder der geborene Bukarester taucht plötzlich mal kurz im Tatort der ARD als ausländischer Arbeiter auf. Im »Machandelbaum« aber spielt er den mit dem Bösen Konfrontierten und Claudia Graue die Grausame, dass es einen gruselt. Auch die anderen Märchen »nur für Erwachsene« haben es derart in sich.

Nun kommt noch das Spezielle – »ungeprobt und winterfest«, wie das Improvisationstheater »Turbine William wie die Birne« sein Konzept rund ums Märchen beschreibt. Bei diesem Programm reden die Zuschauer ein Wörtchen mit, wenn es um die Wahl der jeweils am Dienstagabend zu spielenden Märchen geht. Blitzschnell stellen sich die Komödianten darauf ein. Und weil sie noch nie daran gescheitert sind, packen sie das noch heute.

Märchenhütte, Monbijoupark, Mitte, Di.-So. Karten für Kinder vormittags 4, nachmittags 5 Euro, Erwachsene 9 Euro (dienstags Märchentagspreise 3, abends 5 Euro); Do. 22.20 Uhr: »Pink Grimm«, Mo. 19.30 Uhr: Impro-Theater, Karten-Tel.: 24 04 86 50

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.