»Das weiße Band« macht Netzow weltberühmt

An rund 60 Orten in Brandenburg sind im vergangenen Jahr Filme gedreht worden

  • Imke Hendrich, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Straße ist jetzt asphaltiert. Dass sie monatelang quasi für Hollywood durch Matsch laufen mussten, hat den Bürgern von Netzow nichts ausgemacht. Wegen der Dreharbeiten zu dem für den Auslands-Oscar nominierten Film »Das weiße Band« waren die nötigen Straßenarbeiten in dem kleinen Dorf im Norden Brandenburgs verschoben und das Kopfsteinpflaster in eine unbefestigte Sandstraße verwandelt worden. »Die meisten von uns fanden das nicht schlimm, schließlich ist Netzow dadurch nun weltberühmt«, sagt Volker Pagel, einer der »na ja, etwa 120 Einwohner«. Vier Monate lang diente Netzow als Filmkulisse – viel verändern musste die Crew dort nicht.

Für Michael Hanekes intellektuell anspruchsvolles Schwarz-Weiß- Drama über mysteriöse Gewalttaten in einem norddeutschen Dorf anno 1913/14 war Netzow ideal, wie Produzent Stefan Arndt von X Filme Creative Pool am Mittwoch sagte. »Wir haben von der Ukraine bis Nordfrankreich gesucht und Netzow war der am wenigsten versaute Ort.« Nur ein Drittel der Häuser musste in den Ursprungszustand versetzt werden. »Rund 300 000 Euro flossen in die optische Umgestaltung«, erzählt Arndt, der voller Begeisterung von der Zusammenarbeit mit dem Dorf ist. Bevor er den Film mit den Bewohnern anschaute, sei er schon ziemlich unsicher gewesen – alles in Schwarz-Weiß, ohne Filmmusik und mit einem offenen Ende. Doch es sei gut gegangen. Mehr als die Hälfte des Streifens wurde in dem Prignitzdorf gedreht, in Mecklenburg-Vorpommern fand die Crew das Schloss Johannstorf. Für dessen Auftritt als Gutshof in »Das weiße Band« legte man das ziemlich zugewachsene Gebäude erst wieder richtig frei.

Ausländische Filmemacher werden inzwischen immer öfter in Deutschland fündig, wenn sie nach passenden Drehorten suchen, berichtet Kirsten Niehuus vom Medienboard Berlin-Brandenburg. So wählte Regisseur Quentin Tarantino für seine »Inglourious Basterds« allein sieben Motive in Brandenburg und zwei in Sachsen. Das reichte von einer Kaserne über Wälder bis hin zu den Futterphosphatwerken in Rüdersdorf. Zudem lag Paris für den Streifen mit Schauspieler Brad Pitt in der Kulissenstraße von Koproduzent Studio Babelsberg.

Auch Roman Polanski verlegte – aus der Not geboren – die Dreharbeiten für »Der Ghostwriter«, der im Wettbewerb der Berlinale läuft, nach Deutschland. Sylt und Usedom doubelten die US-Ferieninsel Martha's Vineyard. Denn am Originalschauplatz wollte der Oscar-Preisträger nicht drehen, da ihm bei der Einreise in die USA wegen eines Vergewaltigungsverfahrens aus den 1970er Jahren die Festnahme droht. Derzeit steht Polanski im Rahmen eines Auslieferungsverfahrens in der Schweiz unter Hausarrest.

Allein in Brandenburg wurde im vergangenen Jahr an rund 60 Orten gedreht. »Die Faustregel für die Mietung von Objekten ist eine Monatsmiete am Tag«, sagt Filmproduzent Florian Koerner von Gustorf. Für Außenaufnahmen der preußischen Schlösser, etwa für Drehs im Park Sanssouci, gibt es laut Medienboard feste Sätze – 1500 Euro pro Tag. Zumeist ist das Ganze, wie Produzent Arndt betont, aber Verhandlungssache. »Manchmal freut sich ein Hausbesitzer darüber, wenn alles mal durchgestrichen wird.«

Allemal billiger als ein ganzes Kulissendorf aufzubauen, waren auch die Umbauarbeiten in Netzow. Und da dort nun auch längst die Straße asphaltiert werden konnte, blicken die Bewohner nach den Worten von Volker Pagel stolz zurück auf die Zeit des Trubels und voller Hoffnung nach vorn auf die Oscar-Verleihung in der Nacht zum 8. März. »Wir würden uns sehr geehrt fühlen, wenn es klappt.«

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