Faulende Fenster, marode Toiletten

Wiesbaden: Protest gegen Schulbudget-Kürzung

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.
Sanierungsbedürftige Schulhäuser, die Kürzung des Schulbudgets und öffentliche Gelder für eine private Eliteuni sorgen in Wiesbaden für Protest. Vor allem die Eltern fühlen sich von der Politik doppelt verschaukelt.

Der Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung, die am Donnerstagabend tagte, lagen Anträge von SPD und Linke Liste vor, die einen vollständigen Verzicht auf die Reduzierung der Schulbudgets und »freiwilligen Leistungen« für die Schulen verlangen. Gegen Stellenabbau und Wiederbesetzungssperren bei Hausmeistern und Schulsekretärinnen spricht sich die Linke Liste (LiLi) aus. Ihr Fraktionschef Hartmut Bohrer hatte schon vor Jahren die Heranziehung von Ein-Euro-Jobbern für Hausmeistertätigkeiten bemängelt. »Ausfallendes Personal wird unverzüglich durch regulär Beschäftigte ausgeglichen«, fordert die LiLi.

Beide Fraktionen wollen die Rathaus-Koalition aus CDU, FDP und Grünen in der hessischen Landeshauptstadt in die Defensive bringen. Hauptzielscheibe der Kritik ist CDU-Schuldezernentin Rose-Lore Scholz, die im Dezember in einem Brief an örtliche Schulleiter drastische Sparmaßnahmen angekündigt hatte. So sollen die Schulbudgets um 12,1 Prozent gekürzt werden. Aus diesem Topf finanzieren die Schulen auch Toilettenpapier, Reinigungsmittel oder Kreide. Ebenso drohen umfangreiche Streichungen bei Geldern für Unterrichtsmaterial, Musikinstrumente oder Möbel.

Entrüstung bei Lehrern, Eltern und Schülern

Betroffen wären auch »freiwillige Leistungen« für besondere Projekte, Veranstaltungen oder Schüleraustausche. Freiwerdende Sekretärinnen- und Hausmeisterstellen sollen sechs Monate lang unbesetzt bleiben. Den Schulen soll zudem die Möglichkeit genommen werden, nicht verbrauchte Restmittel für größere Anschaffungen anzusparen und in das nächste Jahr zu übertragen. All dies sei »alternativlos«, so Scholz.

Damit löste die Christdemokratin einen Sturm der Entrüstung bei Lehrern, Eltern und Schülern aus. Seine Schule könne ihren Bildungsauftrag nur noch eingeschränkt wahrnehmen, kritisierte ein Schulleiter den »kaum wieder gutzumachenden Vertrauensverlust«. Dem Protest schloss sich auch ein Oberstudiendirektor an, der kurz zuvor noch eine Schülerin gerügt hatte, weil sie gegenüber der Presse den schlechten Zustand der Toiletten im Haus bemängelte.

»Das Maß ist voll«, brachte es Horst Hanke vom Wiesbadener Stadtelternbeirat auf den Punkt. Seit Jahren finanzierten Eltern Aufgaben, zu denen der Schulträger verpflichtet wäre. Sie zahlten Kopiergeld, Arbeitshefte, Bücher und Unterrichtsmaterial, sanierten Klassenräume und Schulhöfe in Eigenaktion, so Hanke: »Die Eltern sind doppelt die Dummen. Sie engagieren sich zeitlich wie finanziell, und im gleichen Maße kürzt die Stadt die Mittel.«

Die Empörung erklärt sich auch aus dem beklagenswerten baulichen Zustand vieler Schulen. »Die schwarz-gelb-grüne Mehrheit nimmt es weiter hin, dass Schulen verfallen, Totalsanierungen und Neubauten notwendig werden, weil Reparaturen aufgrund von jahrelangem Schleifenlassen unwirtschaftlich geworden sind«, rügt Hartmut Bohrer. Dass dabei insbesondere Förderschulen für »lernbehinderte« Kinder in besonders schlechter baulicher Verfassung seien, lasse tief blicken.

Subbotniks der Elitestudenten?

In einer dieser Schulen entdeckten SPD-Landespolitiker bei einer Stippvisite jüngst heruntergekommene Klassenräume und provisorisch mit Klebeband gestopfte Löcher im Boden der Turnhalle. »Es regnet in die Klassenzimmer, die Fenster faulen weg«, stöhnt der Schulleiter. Durch marode Holzfenster dringt Efeu in die Räume ein.

Zwar ruderte das Schuldezernat unter dem Eindruck der Proteste etwas zurück und setzte einen Teil der Maßnahmen aus. Doch der Argwohn bleibt. Stein des Anstoßes ist die Ansiedlung einer Jura-Fakultät der privaten Elitehochschule European Business School (EBS) im alten Wiesbadener Gerichtsgebäude bis 2012. Das Land Hessen und die Stadt Wiesbaden schießen hierfür rund 50 Millionen Euro aus Steuergeldern zu. Dieses Geld fehle bei der Sanierung öffentlicher Schulhäuser, protestieren die Kritiker. Um ihnen entgegen zu kommen, versprach EBS-Vizepräsidentin Sabine Fuchs auf einer Veranstaltung der Lehrergewerkschaft GEW, künftig EBS-Studierende zu freiwilligen Malerarbeiten an städtischen Schulen zu bewegen.

Ob sich EBS-Subbotniks für Malerarbeiten finden, muss sich zeigen. Mit einem Anstrich allein dürfte der miserable Zustand der Schulen allerdings nicht zu beheben sein.

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