Kommentiert

Verstimmte Verbündete

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 1 Min.

Bis zu 1,5 Millionen Armenier wurden zwischen 1915 und 1917 bei Massakern und Vertreibungen im Osmanischen Reich getötet. Bis heute rechtfertigt der türkische Staat als Rechtsnachfolger die Gräueltaten als »kriegsbedingte Sicherheitsmaßnahme«. Für den Auswärtigen Ausschuss des USA-Repräsentantenhauses war es eine »systematische und vorsätzliche Auslöschung«, also Völkermord. Ankara reagierte mit einem unter NATO-Partnern nicht alltäglichen Schritt und berief empört seinen Botschafter ab. Dabei haben die Abgeordneten nicht zum ersten Mal so geurteilt und sind auch nicht allein mit ihrem Vorwurf. Über 20 Staaten sprechen offiziell von Genozid. Doch würde das Weiße Haus dem Votum folgen, hätte das fraglos eine neue Dimension. Der Wahlkämpfer Obama hatte noch hoch und heilig versprochen, die Massaker als Völkermord einzustufen. Als Präsident versucht er in den Niederungen der Realpolitik massiv, die Armenien-Resolution zu blockieren – um die Beziehungen zum Verbündeten nicht zu gefährden. Ankara spielt in den aktuellen Kriegen und geostrategischen Überlegungen der Supermacht eine sehr wichtige Rolle. Deshalb auch hat Washington den zarten Annäherungsprozess zwischen der Türkei und Armenien unterstützt. Deshalb hätte man die Kongresserklärung – obwohl ohne Bindung für den Präsidenten – gern verhindert. Zumal der im Vorjahr unterzeichnete Aussöhnungsvertrag nach wie vor unratifiziert auf Eis liegt.

Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.

Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen

Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -