Einigung zu Enquetekommission gescheitert

Oppositionsfraktionen wollen die eigene Verantwortung für Politikverdrossenheit nicht sehen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Oppositionsparteien im Landtag wollen die eigene Verantwortung für die sinkende Wahlbeteiligung und für eine um sich greifende Demokratieverdrossenheit in Brandenburg nicht wahrhaben. Einen gemeinsamen Antrag zur politischen Bewertung der ersten Nachwendejahre wird es im Parlament daher nicht geben.

Wie Linksfraktionsgeschäftsführer Christian Görke nach einer Sitzung mit seinen Kollegen gestern mitteilte, haben sich CDU, FDP und Grüne geweigert, die von den Parteien der rot-roten Koalition geforderten Änderungen in ihrem Antrag vorzunehmen. SPD-Fraktionschef Dietmar Woidke sagte daraufhin, seine Fraktion werde dem Antrag der Opposition nicht zustimmen. Der trägt den Titel: »Aufarbeitung der Geschichte und Überwindung der Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat«. Gemeinsam mit der LINKEN werde ein Ergänzungsantrag eingebracht, der dem Papier der Opposition hinzugefügt werde, erklärte Woidke. Danach werde es nur noch einen Abgleich bezüglich bestimmter sprachlicher Doppelungen geben.

Er bedaure sehr, dass die Opposition nicht das Ziel aufgeben wolle, die Rolle der Medien im Nachwendeprozess zu benoten, sagte Woidke. Dieser Plan, eine nachträgliche Zensur zu verhängen, erweise dem Ansehen des Landes keinen guten Dienst. Und er befürchte außerdem einen Schaden für das Land, wenn die Opposition bei ihrem Ziel bleibe, die Eigentumsverhältnisse auf dem Land wieder in Frage zu stellen.

Für Görke sind weitere Gespräche in dieser Sache nach der Ablehnung der Oppositionsparteien gegenstandslos. Seine Fraktion werde sich der Stimme enthalten, wenn der Antrag von CDU, FDP und Grünen zur Einsetzung der Kommission auf der Tagesordnung stehe. »Wir erweitern den Antrag um mehrere Fragestellungen«, sagte Görke. Untersucht werden soll in der Enquetekommission, warum sich so viele Menschen in der Demokratie nicht mitgenommen fühlen, ferner, was die wirklichen Gründe für die sinkende Wahlbeteiligung sind, welche Wirkungen der »Elitenwechsel« nach 1990 gehabt hat und wie die Arbeit der Treuhand zu bewerten sei.

Die Opposition begründe ihren Antrag mit vielfachem Verweis auf die DDR-Staatssicherheit, sagte Görke. »Wer aber hat seit 20 Jahren die politischen Geschicke in diesem Land mitzuverantworten?« Sowohl CDU als auch die FDP hätten zeitweilig politische Verantwortung getragen. Dies auszublenden, werde ihnen nicht gelingen.

Die Opposition ist nicht bereit, ihre eigene Verantwortung dafür anzuerkennen, dass immer mehr Menschen auf Distanz zur Politik gehen. Allen voran die CDU. Diese gab im Bundesland jahrelang ein erbarmungswürdiges Bild ab, zerfressen von Ränkespielen, von unwürdigen Kabalen, von Neid und Missgunst. Auf niedrigstem Niveau bekämpften sich die Kontrahenten, steckten sich Käse und Pizza in die Postfächer des Landtags. Immer wieder hat der langjährige CDU-Landeschef Jörg Schönbohm mit unbedachten Äußerungen die Brandenburger provoziert und damit sein Unvermögen gezeigt, sich in sie hineinzudenken.

Grünen-Fraktionschef Axel Vogel wies die Vorwürfe von Rot-Rot zurück. Entweder sei der Antrag nicht oder nur unvollständig gelesen worden oder aber es werde bewusst falsch gedeutet und mit Unterstellungen gearbeitet. Zu behaupten, dass Medien benotet und einer nachträglichen Zensur unterzogen werden sollen sei ebenso abstrus, »wie der von der LINKEN verwandte Begriff des ›Gesinnungs-TÜVs‹.«

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