Der kleine Rassismus bei Ausländerfreunden

Zwei Männer und eine Frau wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung angeklagt

  • Lesedauer: 3 Min.
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen.
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen.

Es sollte ein richtiger netter Versöhnungsabend werden, dieser 18. September 2009. Sven (30) und Ines (24) waren einst ein Paar. Einen gemeinsamen Sohn hatten sie schon, nun wollten sie noch einmal gemeinsam durchstarten mit einem »Spieleabend« bei guten Freunden. Doch irgendwie ging alles schief. Ständig kam man sich ins Gehege, stichelte kreuz und quer, wer mit wem fremd gegangen war.

Auch Benjamin (26) war stinksauer, weil er ein Spiel nach dem anderen verlor und »exen«, also ein paar Kurze und ein paar Lange auf Ex hinter die Binde kippen musste. Die anderen kippten aus Solidarität mit. Zwischendurch schob man sich noch ein paar Drogen ein zur aktiven Schlechte-Laune-Bekämpfung. Benjamins Gattin Jenny hatte ebenfalls einen seelischen Kater, weil der Ehemann so sternhagelvoll war. Also beschloss man, eine Kneipe zwecks Aufmunterung aufzusuchen. Aus Gnatz machte Sven seiner Liebsten im Suff einen Heiratsantrag.

Das »ABC« in Wedding hatte dicht, das steigerte den Zornpegel. Voller Wut warf Ines ihren vollgedröhnten Sven in eine Fensterscheibe, die mit ohrenbetäubendem Lärm zu Bruch ging. Der heilige Geist hatte in dieser Nacht wohl einen Schutzengel für kleine Kinder und Besoffene auf Reisen geschickt – Sven blieb wie ein Wunder unverletzt. Als dann noch Jenny wie vom Erdboden verschluckt verschwunden war, verloren sie den Rest ihres sehr bescheiden ausgeprägten Verstandes.

Was dann in den frühen Morgenstunden auf dem U-Bahnhof Rehberge geschah, mündete in eine Anklage wegen Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung gegen Sven, Benjamin und Ines. So sollen die drei einen 60-jährigen und einen 55-jährigen Exiliraner brutal misshandelt und schwer verletzt haben. Es begann mit einer Attacke auf den 61-Jährigen. Benjamin schüttete dem Mann unvermittelt die Reste einer Cola-Flasche über den Anzug und beschimpfte ihn. Als der sich beschwerte, zückte der durch Alkohol erstarkte Kraftprotz einen Teleskopschlagstock – den führte er immer bei sich – und schlug auf sein Opfer ein, bis es bewusstlos am Boden lang. Als der 55-jährige Iraner seinem Freund zu Hilfe eilen wollte, wurde auch er niedergeschlagen und mit Tritten traktiert. Besonders wild soll sich Ines aufgeführt haben. Die habe geschrien wie eine Furie und die am Boden Liegenden als »scheiß Ausländer« und »Kanaken« beschimpft, die nicht das Recht hätten, so mit einer Deutschen zu reden.

Die Männer sitzen seitdem in U-Haft, die Frau darf ihren Sohn hüten. Vor Gericht nannten die nun Nüchternen das Ganze eine »Rangelei«, bei der sie von den Iranern völlig grundlos angegriffen worden seien. Der eine hätte Ines an den Haaren gezerrt und ihr in den Unterleib getreten. Obwohl doch eigentlich gar nichts passiert sei, sie die Opfer wären, entschuldigten sie sich immer wieder in Briefen und vor Gericht bei den Opfern. Nein, Rassisten seien sie nun wirklich nicht. Sie seien im Wedding mit Arabern und Türken aufgewachsen und hätten ein Herz für Ausländer. Immer, wenn das Gericht nachfragte, konnten sich die Täter gar nicht oder nur sehr schwach erinnern. Der Alkohol habe doch sehr ihre Sinne getrübt. Es kann so gewesen sein, es kann aber auch nicht. Obwohl die Angeklagten viel redeten: von Schuldeingeständnis und Reue keine Spur.

Die Zeugenaussagen von Unbeteiligten und die Überwachungsbilder auf dem U-Bahnhof legen allerdings etwas völlig anderes offen. Danach war es ein regelrechter Überfall auf die Iraner, die in einer Orgie von Gewalt rücksichtslos niedergeschlagen wurden.

Eigentlich hatte die Staatsanwaltschaft auch noch versuchten Mord angeklagt, weil die drei aus »niederen Beweggründen versucht hätten, einen Menschen zu töten«. Dieser Anklagevorwurf wurde vom Gericht nicht akzeptiert, so blieb es bei schwerer Körperverletzung und Beleidigung.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal