Galerie n.b.k.

Auf die Ohren

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Blickt man von außen in die Räume des Neuen Berliner Kunstvereins (n.b.k.) in der Chausseestraße, offenbart sich ein absurdes Bild: Menschen trippeln selbstvergessen auf der Stelle herum, konzentriert bis belustigt scheinen sie auf etwas zu lauschen, andere haben es sich mit Kopfhörern über den Ohren auf Sitzinseln bequem gemacht. Tatsächlich geht es in der aktuellen Ausstellung des n.b.k. um das Nicht-Sichtbare, um das Radio nämlich: »Sounds. Radio – Kunst – Neue Musik« will den Rundfunk als künstlerisches Medium erlebbar machen.

Doch wie präsentiert man das »Körperlose«, nur Hörbare? Das vierköpfige Konzeptionsteam um n.b.k.-Direktor Marius Babias und Kuratorin Katrin Klingan macht Radio als Medium begehbar, gleichzeitig kann jeder Besucher so tief einsteigen, wie er will. Kernstück der Schau bilden fünf Radioarbeiten, die 2009 im Rahmen des deutsch-tschechischen Radiokunstprojekts rádio d-cz entstanden sind, und das volle Spektrum der Radiokunst repräsentieren – Feature, Sound-Art, Doku-Fiktion, Performance und literarisches Hörspiel.

Mit dem Mikro in der Hand und einer großen Portion Neugierde auf das Leben der Nachbarn gingen zum Beispiel die Autoren Peter Cusack und Milos Vojtechovský durch Prag, nahmen die Lieblingsgeräusche der Einwohner auf und zeichneten so eine vielstimmige Klang-Topografie auf. Die Künstlerin Katerina Sedá nahm die Tatsache, dass nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die Gartenzäune in ihrem Heimatort Brno Lísen immer höher werden, zum Anlass, 80 davon zu überklettern. Aus den Streitigkeiten und Gesprächen, die sich dabei ergaben, machte sie zusammen mit dem Radiokünstler Rolf Simmen das O-Ton-Hörspiel »In einem Fort«.

Diesen rund einstündigen Arbeiten, die man sich auf runden Lederpolstern sitzend bequem über Kopfhörer anhören kann, sind jeweils historische und zeitgenössische Referenzstücke zur S eite gestellt, im Fall des Features zum Beispiel Friedrich Walter Bischoffs »Hier Welle Erdball« aus dem Jahr 1929. Oder ein melancholisches Doku-Porträt unserer Erde von Ernst Schnabel, der 1951 als erster Deutscher nach dem Zweiten Weltkrieg eine Weltreise unternahm. Diese insgesamt 25 Referenzstücke klingen als Ausschnitt an – wer will, kann sich die jeweiligen Arbeiten auch in voller Länge im Archivteil der Ausstellung anhören, der ferner über 100 weitere Produktionen versammelt.

Doch auch die kurzen »Anspieler« zeigen, wie sich der Rundfunk entwickelt hat, was möglich ist und wie sich mit Stimme und Tönen fiktive Welten schaffen lassen. Lindberghs von Brecht, Hindemith und Weill 1929 rekonstruierter Atlantikflug ist ebenso dabei wie Arbeiten von Samuel Beckett oder John Cage. Absurdes findet sich neben Ernstem. Ein bisschen Zeit sollte man zwar schon mitbringen, doch bleibt es jedem Besucher selbst überlassen, wie tief er in die Materie einsteigt.

Eine Extra-Ecke gleich links neben dem Eingang ist außerdem neuen Sound-Sphären gewidmet. Ursula Block präsentiert dort ihre Galerie und Schallplattenhandlung »gelbe MUSIK«, die sie 1981 in Wilmersdorf eröffnete und seitdem zum umfangreichen Archiv zur Geschichte der Neuen Musik ausgebaut hat. Neben jeder Menge LPs zeigt sie die Sonderausstellung »Denkbare Partituren« mit Werken von John Cage bis Joseph Beuys, Terry Fox und Nam June Paik.

Musik wird in diesen Grafiken, Blättern und Zeichnungen nicht in Notenform, sondern als Textanweisung, Collage oder Skizze dargestellt – ungewöhnlich, aber spannend.

»Sounds« bis 28. März, geöffnet Di.-So. 12-18 Uhr, Do. bis 20 Uhr; n.b.k., Chausseestr. 128/129, Mitte

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