Einfach abgefahren und voll gegen die Wand

Debakel Nürburgring: Ministerpräsident Beck vor dem Mainzer Untersuchungsausschuss

  • René Heilig, Mainz
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Untersuchungsausschuss geht seit September 2009 der Frage nach, ob das Land Rheinland-Pfalz bei der im Juli 2009 gescheiterten Privatfinanzierung für das Nürburgring-Projekt Schaden genommen hat. Die Baukosten für das Projekt sind von geplanten 215 Millionen Euro auf rund 350 Millionen gestiegen.
Noch nicht so schicker Boulevard am Nürburgring ND-
Noch nicht so schicker Boulevard am Nürburgring ND-

»An einigen Stellen wird derzeit noch an der Fertigstellung des neuen Nürburgrings gearbeitet. Wir bitten daher für etwaige Baumaßnahmen um Verständnis.« So steht es auf einem Schild am Eingang zum (irgendwann) aufgestylten Ringboulevard. Das Schild könnte an vielen Ecken der Eifel-Rennanlage stehen. Überall wird gebaggert, gesägt, geschliffen, betoniert, lackiert. Man spürt, hier wird Geld verarbeitet, viel Geld.

Unter dem Projektnamen »Nürburgring 2009« entstanden zwischen 2007 und der (halb fertigen) Eröffnung im Juli 2009 ein Vier-Sterne-Hotel, das »Eifeldorf Grüne Hölle«, ein Feriendorf sowie besagter Boulevard mit Ladengeschäften und ein Indoor-Freizeitpark. Dessen Hauptattraktion ist eine (angeblich) absolut einmalige Achterbahn. Doch der »Ringracer« rast nicht mit schreienden Passagieren über die Anlage hinweg. Er funktioniert einfach nicht. Was soll's, es sind sowieso kaum Besucher da. Und die Anzahl der geplanten Motorsport-Rennen ist auch bescheiden. Also lädt man ein zur Party. Und da mit Disko und Karaoke allein auch nicht genug »abgeht«, wird gemunkelt, eine bekannte Volksmusik-Touningtruppe (noch geheim) soll den Betreibern aus der Klemme helfen soll.

Doch nicht nur die Betreiber sind in der Klemme. Es gibt – weil eben nichts so recht läuft außer der Steuergeld-Überweisungsmaschine – im Landtag von Rheinland-Pfalz einen Untersuchungsausschuss. Vor dem musste in dieser Woche Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) erscheinen. Natürlich wies er den Vorwurf zurück, es sei um ein persönliches »Prestigeprojekt« gegangen. »Dieser Gedanke ist mir völlig fremd«, sagte Beck am Dienstagabend in Mainz.

Beck hat nur ein bisschen gezweifelt

Es kommt – siehe Lausitz-Ring im Brandenburgischen – nicht gar so selten vor, dass Politiker Gas geben, ohne zu wissen, wo die Bremse ist. Im Verlaufe der vierstündigen Befragung muss Beck mehrmals das Verlangen gehabt haben, »voll in die Klötzer zu steigen«. Doch er tat reuig. »Im Lichte dessen, was ich heute weiß, hätte ich anders gehandelt«, sagte Beck bei seiner Vernehmung, die mehr als vier Stunden dauerte. Er räumte ein, er hätte bei der Privatfinanzierung Ostern 2009 das Finanzgeschäft stoppen müssen. Die Pläne einer Privatfinanzierung waren endgültig im Juli 2009 gescheitert. Es entstand der Eindruck, dass die SPD-Landesregierung auf Betrüger hereingefallen war. Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) trat zurück, die Staatsanwaltschaft Koblenz begann zu ermitteln. Er, Beck, habe keinen Grund gehabt, an Deubels Finanzierungsvorschlägen zu zweifeln. Wirklich nicht?

»Zunächst befremdet« habe ihn, dass für das ungewöhnliche Geschäft ein Liquiditätsnachweis von zunächst 80 Millionen Euro des Landes Rheinland-Pfalz bei einer Schweizer Bank deponiert werden sollte. Auch Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) hatte sich über den verlangten Liquiditätsnachweis gewundert. Aber Deubel habe eine Expertise eingeholt und damit seine Zweifel ausgeräumt. Auch seine Bedenken gegenüber zwei der beteiligten Geschäftsmänner hätten sich nach deren Überprüfung als nicht stichhaltig erwiesen. Eine Geldwäschekontrolle habe ebenfalls nichts ergeben, so der Innenminister. Zuvor hatte bereits Regierungssprecher Walter Schumacher vor dem Untersuchungsausschuss erklärt, der damalige Finanzminister Deubel habe zwar immer wieder mündlich informiert, doch Inhalte seien nicht ausführlich dokumentiert worden.

Kontinuierliche Erinnerung ans versenkte Geld

Der Landeschef der Linkspartei Alexander Ulrich spöttelt über Becks geistiger »Fahrerflucht«. Der als »Aktenfresser« bekannte Beck täte nur ahnungslos. Er spiele den Landesvater, »dem nur Übersichtswissen vermittelt wurde«. Als Wirtschaftsförderer Beck sich noch mit Pomp und Millionenkosten bei der Eröffnung des »neuen Rings« feiern ließ, sei bereits abzusehen gewesen, dass die Sache mit Vollgas an die Wand gefahren wird. Und daher erinnert die LINKE den Regierungschef und seine SPD auch immer wieder gnadenlos daran, dass »die 350 am Nürburgring versenkten Millionen ausgereicht hätten, um kostenlose Schulmaterialien und den Ausbau des Schulsystems zu einer Ganztagsschule für alle für Jahrzehnte zu finanzieren«.

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